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1913 malte Edvard Munch, „Käte und Hugo Perls“ im Atelier.

© Kunstsammlungen Chemnitz

Lieber die Glasbowle: Zwei Bücher erkunden den Kunstmarkt von der Antike bis in die Gegenwart

Die Marktexpertin Harriet Häußler zeigt die Geschichte des Kunsthandels von den Anfängen auf, Hugo Perls erzählt aus dem Blickwinkel des Galeristen.

Eine Million Sesterzen sind ein stolzer Preis, die Umrechnung in Euro steigert ihn auf mindestens das Zehnfache. Der römische Feldherr Marcus Agrippa bezahlte für zwei Bilder noch etwas mehr und straft so alle Behauptungen, der Kunstmarkt sei eine neuzeitliche Erfindung.

Rom war ein Zentrum der „Sensationspreise für Kunstwerke“, schreibt Harriet Häußler und weist auf die Warenströme aus den eroberten Gebieten hin, darunter Standbilder und Gemälde. Verkauft wurden sie auf ephemeren Marktplätzen oder stationär in Läden, was einen unversehens an Messen respektive Galerieräume denken lässt.

Selbst das Vokabular von heute lässt sich fließend auf die Antike übertragen. Und so zieht die Berliner Autorin in ihrem Buch „Die Schöpfer des Kunstmarkts“ eine Linie „von den Anfängen bis zur Digitalisierung in der Gegenwart“. Über zweihundert Seiten erzählen von einer Entwicklung, die es immer schon gab. Genau wie Fälschungen, Versteigerungen, dynastische Privatsammlungen und Künstler, die sich geschickt als Marke inszenierten.

Damien Hirst lernt im Rückblick

Damien Hirst hat ebenso aus der Vergangenheit gelernt wie Übergalerist Larry Gagosian, denn auch imperiale Verkaufsräume sind keine neue Erfindung. Weshalb jedoch Hirst als Künstler in London mehr Aufmerksamkeit generieren konnte als sonst irgendwo auf der Welt oder ein Galerist in New York die besten Chancen zum globalen Aufstieg hat, erklärt Häußler aus der spezifischen Entwicklung der Märkte.

Die Autorin war selbst Galeristin

Letztere sind untrennbar mit der Finanzwelt verbunden. Wo immer sich neue Möglichkeiten der Kapitalisierung boten – in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts dank des Handels auch mit Sklaven, später im industrialisierten England und danach im Amerika der Zugewanderten –, wuchs das Bedürfnis nach Kultur. Oft aus Gründen der Distinktion, doch gab es auch die passionierten Sammler, denen insbesondere New York seine exzellenten Museumssammlungen verdankt.

Harriet Häußler, die selbst eine Galerie in Berlin geführt und an diversen Universitäten als Dozentin das Thema Kunstmarkt gelehrt hat, schreibt dicht und sachlich. Den Mythos der Kunst streift sie nicht, stattdessen geht es um präzise Herleitung und wissenschaftliche Argumentation. Das liest sich nicht unbedingt leicht, ist aber ebenso aufschlussreich wie spannend.

Zum Tee bei Edvard Munch

Der persönlichen, subjektiven Perspektive begegnet man bei Hugo Perls. Dessen Memoiren als Berliner Kunsthändler stammen aus den 1960er Jahren und wurden jüngst neu aufgelegt. „Warum ist Kamilla schön?“ heißt das ebenfalls rund 200 Seiten umfassende Buch – ohne Häuslers Anmerkungsapparat oder Literaturverzeichnis, dafür mit einer auffallenden Parallele im ersten Satz: dem „sensationellen Interesse am Geldwert der Kunst“.

Auch Perls widmet sich den Geld- und Warenströmen, allerdings steckt er mittendrin: Der Galerist erwirbt Bilder von Van Gogh erschütternd preiswert, muss sich von Freunden allerdings auch sagen lassen, dass er statt Picassos „Mädchen mit Halsband“ in Paris besser eine Glasbowle mit zwölf Kristallgläsern ersteigert hätte. Zum selben Preis, wer kauft da ein Gemälde?!

Manchmal wäre ein kritischer Anhang praktisch. Perls reist durch Länder und Jahrzehnte, lässt sich und seine Frau Käte vom damaligen Skandalmaler Edvard Munch porträtieren und erzählt Anekdoten. Sie zu verstehen setzt voraus, dass man alle Namen im Buch kennt. Das klappt nicht immer. Dann wieder treffen sich Harriet Häußler und Hugo Perls bei der Betrachtung der Berliner Kunstszene oder bei Fälschungsskandalen, die sich je nach Autor analytisch oder inwändig darstellen. Am besten liest man ihre Bücher parallel.

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