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Cello: Liebe auf den ersten Griff

Karriere con fuoco: Mit elf Jahren entdeckt Mischa Meyer sein Instrument, mit 24 ist er Solo-Cellist beim Deutschen Symphonie-Orchester.

Wenn Mischa Meyer zu einem Cello- Solo ansetzt, blickt sogar der unkonzentrierteste Abonnent von seiner Programmheft-Lektüre auf: Wo kommt denn dieser inniglich aufblühende, leidenschaftlich singende Klang her? Von dem jungen, rotblonden Mann mit den sinnlichen Lippen und dem melancholischen Gesichtsausdruck, der beim Deutschen Symphonie-Orchester ganz vorne sitzt. So ein Klang gelingt nur Musikern, die ganz mit sich und ihrem Instrument im Reinen sind.

Es war Liebe auf den ersten Griff: Der 1983 in Baden-Baden geborene Mischa Meyer hatte schon mehrere Jahre lang Klavier gespielt, als ihm sein Musiklehrer vorschlug, es doch mal mit dem Cello zu probieren. Was aufseiten des Pädagogen rein pragmatische Gründe hatte – im Schulorchester waren gerade die tiefen Streicher unterrepräsentiert – stellte sich für den Elfjährigen als Glücksfall heraus. Das Instrument, das man ihm in die Hand drückte, war in einem erbärmlichen Zustand, ein Schrammelkasten, doch Mischa Meyer spürte sofort, dass er hier sein Instrument gefunden hatte. Die Spielhaltung, die einer Umarmung gleicht, die Art, wie die Töne beim Entstehen den ganzen Körper durchströmen, das war’s, das sollte es sein.

Von dem Moment an ging alles ganz schnell. Und völlig organisch. Die Eltern haben ihn nicht zum Üben drängen müssen, der Ehrgeiz kam ganz aus ihm selber. Sogar sein geliebtes Tischtennis ließ er fahren, um in jeder freien Minute die vier Saiten seines Cello zu streichen. Er wird Jungstudent an der Karlsruher Musikhochschule, wechselt 2004 nach Berlin an die Eisler-Musikhochschule, wird als 24-Jähriger zum Solo-Cellisten des Deutschen Symphonie-Orchesters gewählt. Eine Bilderbuchkarriere, ebenso rasant wie brillant, oder, um es auf Musiker-Italienisch zu sagen: allegro con spirito.

Mischa Meyer, das muss man allerdings auch erwähnen, hatte ideale Startbedingungen: Sein familiäres Umfeld ist von klassischer Musik geprägt, Vater wie Mutter verdienen als Profimusiker ihr Geld, sie als Solo-Flötistin beim SWR-Orchester, er als Klarinetten-Professor, der zeitweilig auch die Karlsruher Musikhochschule leitet. Und seine Tante ist die weltweit gefragte Klarinettistin Sabine Meyer. Was er im Interview aber geflissentlich verschweigt. Weil er sich schon zu oft die Unterstellung anhören musste, er habe es ja als Spross der Meyer-Dynastie wohl leichter gehabt, voranzukommen.

Das entbehrt natürlich jeder Grundlage: Denn was nützen einem die bekannten Verwandten, wenn man bei einem Wettbewerb mitmacht oder sich um eine Orchesterstelle bewirbt? Mit 16 gewinnt Mischa Meyer seinen ersten Preis, sechs weitere folgen. Und als er zum allerersten Mal austesten will, wie sich ein Vorspiel bei einem so selbstbewussten, international renommierten Ensemble wie dem Berliner DSO wohl anfühlt, ergibt sich sofort eine Festanstellung. Dabei beendet er sein Studium offiziell erst in diesem Wintersemester.

Dass man ihm als Berufsanfänger die Chance gegeben hat, sich zu beweisen, dafür ist Mischa Meyer nach zweieinhalb Dienstjahren seinen Kollegen immer noch dankbar. Beim Treffen in seiner bescheidenen Junggesellen-Bude in Prenzlauer Berg spricht er nur von „meinem Orchester“. Die jüngst aufgekommene Idee, das DSO mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester zu fusionieren, traf ihn darum auch ins Mark. Weil er sich völlig mit der Truppe identifiziert: „Ich habe sofort gespürt: Hier bist du richtig.“ Der offene Geist des Orchesters passt zu einem wie ihm, für den fast alle Konzerte Entdeckungsreisen sind. Aber auch, wenn er viele Stücke zum ersten Mal live im Orchester spielt, muss er auf seiner Position dennoch führen können. Neben dem Konzertmeister und der 1. Oboe gehört der Solo-Cellist zu den Führungspersönlichkeiten im Orchester, die den Laden im Zweifelsfall zusammenhalten, wenn es Koordinationsprobleme gibt oder die Musiker mit einem Dirigenten nicht einverstanden sind. Die Kollegen warten auf seinen Impuls, wenn gemeinsam gezupft werden soll, erwarten von ihm, dass er stets die anderen Stimmen mitverfolgt, damit sich seine Cellogruppe passgenau in den Gesamtklang des Tutti einfügen kann.

Mischa Meyer selber spielt die Bedeutung seines Jobs im Gespräch herunter, in einer sympathischen Mischung aus Stolz und Bescheidenheit. Er empfindet sich als primus inter pares, ein Erster unter Gleichen. Schließlich geht es ihm ja nicht um Machtfragen, sondern um die Partituren. Darum macht er neben seinem Orchesterjob auch so viel Kammermusik wie möglich, im Ovid-Trio, im Hanns-Eisler-Quartett, beim Solistenensemble Kaleidoskop des Radialsystems. Oder eben auch mit Kollegen vom DSO, wie heute Abend im Tacheles.

Von dem melancholischen Ausdruck, den Mischa Meyers Gesicht auf der Bühne annimmt, sollte man übrigens nicht auf seine Grundhaltung dem Leben gegenüber rückschließen. Er selber empfindet sich als grundoptimistischen, positiv denkenden Menschen. Dass er beim Spielen wie entrückt wirkt, hat er allerdings schon oft gehört. Der Grund ist einfach: „Es gibt nur wenig, was mich so glücklich macht wie die Musik.“

Zusammen mit seinen DSO-Kollegen spielt Mischa Meyer am heutigen Freitag um 20.30 Uhr Werke von Schumann, Haydn und Samuel Barber im Tacheles, Oranienburger Straße in Mitte.

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