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Flower Power in Nashville. Kylie Minogue, 49, ließ sich von Country-Musik inspirieren.

© Markus Morianz

Kylie Minogue im Interview: „Bei Liebeskummer bin ich Expertin“

Die australische Sängerin Kylie Minogue über Trennungen, Sexismus in der Musikbranche und ihr neues Album „Golden“.

Mrs. Minogue, „Golden“ ist Ihr 14. Studioalbum. Finden Sie es überhaupt noch aufregend, eine neue Platte zu veröffentlichen?
Und wie! Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als ein britischer Radiosender das erste Mal die Single „Dancing“ gespielt hat. Ich konnte mich gar nicht beruhigen. Und das Feedback war so großartig, dass es mich fast zum Weinen gebracht hätte. Daran gewöhnt man sich nie! Aber es ist auch eine sehr besondere Platte für mich.

Inwiefern?

Wir haben uns am Anfang sehr viel Zeit genommen, um nach der Richtung für den Sound zu suchen. Schließlich landeten wir in Nashville bei Country-Musik, was erheblichen Einfluss auf die Songs hatte. Wenn du an diesem magischen Ort bist, mit so vielen musikhistorischen Stätten, gibt dir das eine erfrischend andere Perspektive auf das Handwerk des Songwriting. In allen Cafés und Clubs triffst du auf junge Liedermacher, die von ihrer Musik erzählen, und das Publikum hört aufmerksam zu. Die Zeit dort war unglaublich inspirierend für mich.

Es gibt viel Herzschmerz in den neuen Songs. Mussten Sie sich nach der Trennung von Ihrem Verlobten Joshua Sasse den Kummer von der Seele schreiben?
Nun ja, die Songs handeln generell über mein Leben mit der Liebe, nicht explizit über die letzte Liebe. Ich habe viel Mist in Liebesdingen erlebt. 2016 war kein gutes Jahr für mich. Es ist schlimm, wenn du dich selbst verlierst, wenn du dich alleine und hilflos fühlst und nicht mehr weißt, was Liebe eigentlich bedeutet. Ich will nicht übertreiben, aber es war schon recht traumatisch nach der letzten Trennung. Die Arbeit im Studio hat wie eine Therapie gewirkt.

So schlimm?

Jetzt nicht mehr! Aber am Anfang kamen nur weinerliche Lieder dabei raus. Zum Glück waren die nicht gut, so dass wir sie verwarfen. Denn sonst wäre ich jetzt wieder und wieder mit dem Kummer konfrontiert. Erst als das Stück „Lifetime To Repair“ entstand, konnte ich diese schlimme Phase langsam hinter mir lassen. Ich hatte dann schon genug Distanz, um das Ganze realistisch zu betrachten – und auch mit ein bisschen Humor.

Was haben Sie gelernt aus all dem Herzschmerz?
Shit happens! Aber ich wünschte, ich hätte mittlerweile eine Technik entwickelt, mit Liebeskummer umzugehen, dann wäre ich reich und berühmt. (lacht)

Wie stecken Sie Liebeskummer weg?
Da fragen Sie eine Expertin! (lacht) Es gibt ja verschiedene Arten von Herzschmerz: Es gibt den Herzschmerz, wo du denkst, den einzig Wahren verloren zu haben, über den du nie hinwegkommen wirst. Das hat es in meinem Leben auch gegeben. Aber so war es nicht bei meiner letzten Trennung. Danach fühlte ich mich als Mensch gebrochen, das ist etwas anderes als Liebeskummer. Es ging also diesmal darum, mich selbst wieder aufzubauen. Und es war großartig, dass im Studio tun zu können. Gerade, wenn du an einem Song wie „Dancing“ arbeitest, der davon handelt, rauszugehen und zu tanzen, bringt dich das fast automatisch besser drauf.

Wie weit waren Sie denn schon mit Ihren Hochzeitsvorbereitungen?
Nun, ich hatte noch kein Kleid! Und wenn ich zurückblicke, war es irgendwie klar, dass die Hochzeit nicht passieren würde. Ich habe nie angenommen, dass ich mal die Person sein werde, die zum Altar schreitet. Ich konnte mir das nicht vorstellen...

Vielleicht hätten Sie es visualisieren müssen?
Ja, vielleicht. Aber ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt eine Hochzeit will – das ist der Punkt. Ich will Liebe, und ich will Gesellschaft. Das ist mir wichtig. Aber wenn ich vorher schon nicht daran geglaubt habe zu heiraten, sehe ich das jetzt überhaupt nicht mehr für mich.

Fühlt es sich denn wie ein Makel an, unverheiratet und ohne Kinder zu sein?
Wie ein Makel fühlt es sich definitiv nicht an! Aber was soll ich sagen? Ich habe keine Erklärung dafür. Ich weiß nicht mal, ob es gut oder schlecht ist, in meinem Alter Single zu sein. Vor 30 Jahren wurde ich immer wieder gefragt, wo ich mich in fünf oder zehn Jahren sehen würde. Ich bin mir sicher, dass ich davon sprach, ein paar Kinder zu haben, aber nicht davon, verheiratet zu sein. Nun hat sich herausgestellt, dass Mutter zu sein sich auch nicht für mich erfüllt hat. Aber es gibt Menschen, die schwerere Päckchen zu tragen haben als ich.

Am 28. Mai werden Sie 50. Wie sehen Sie dem Tag entgegen?
Oh, da lastet eine Menge Druck auf mir. Aber genau deshalb habe ich dieses Jahr beschlossen, groß zu feiern. Normalerweise mache ich meine Freundinnen immer verrückt, weil ich ihnen sage, dass ich keine Feier will, sondern nur ein gemeinsames Abendessen. Aber diesmal werde ich eine große Party in London schmeißen. Einmal in meinem Leben muss das sein.

Was wünschen Sie sich?
Eigentlich jedes Jahr dasselbe: Peace, Love & Happiness! Meine Probleme sind im Vergleich zu denen anderer Menschen recht klein. Ich bin gut drauf momentan. Insofern wünsche ich den Menschen Glück, die gerade nicht so eine gute Zeit haben.

Macht Ihnen die Zahl 50 Angst?
Ich habe keine Angst, ich bin einfach nur realistisch, wo ich im Leben stehe. Im Titel-Song der Platte gibt es die Zeile: „Wir sind nicht jung, wir sind nicht alt. Wir sind ‚Golden’!“ Monatelang spukte das in meinem Kopf herum. Denn genau so fühlt es sich mit 50 für mich an: Ich bin irgendwo dazwischen. Was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann, ist: Ich fühle mich heute definitiv besser als noch vor einigen Jahren – viel positiver und entspannter mit mir selbst.

Man sagt ja über Frauen jenseits der 40, dass sie von der Gesellschaft nicht mehr gesehen werden. Aber das Gefühl kennt man als Popstar wohl nicht, oder?
Ich kenne das! Ich war vor Kurzem zu Besuch bei einer Freundin in Los Angeles und wir fuhren mit dem Cabrio herum. Ich war nicht zurechtgemacht wie ich es jetzt bin. Und es nahm keiner Notiz von uns. Wir kamen zu dem Schluss: Herrje, wir sind unsichtbar geworden! Und wir grölten laut „Invisible“ von Alison Moyet. (singt) Wir haben das echt die ganze Zeit gesungen. Ich kann es also nachvollziehen, dass Frauen sich ab einem gewissen Alter unsichtbar fühlen, denn ich habe es selbst erlebt. Ein komisches Gefühl.

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Madonna wird ihr Alter ja immer wieder zum Vorwurf gemacht. Da wird dann gern gesagt, ihre Auftritte schicken sich nicht für eine Frau Ende 50.
Wenn es eine Frage des Geschmacks ist, bitteschön. Aber jeder hat einen anderen, oder? Die Fixierung auf das Alter ist nervig, und es ist langweilig. Mir war aber klar, dass ich nach meinem Alter gefragt werden würde. Das war ja schon bei meiner letzten Platte vor vier Jahren so. Darauf zu antworten, wird nicht einfacher. Und es zeigt auch, wie viel Sexismus in der Branche immer noch herrscht.

Haben Sie den Sexismus in der Musikbranche selbst zu spüren bekommen?
Na, klar! „Sie sieht schlimm aus.“ „Sie sieht zu gut aus für ihr Alter.“ „Oh Gott, wie konnte sie das tun!“ – Das ganze Spektrum gab es über mich zu lesen. Die Wahrheit ist: Ich kann mich selbst nicht jünger machen, ich kann mich nicht älter machen. So jung, wie ich gerade hier sitze, werde ich definitiv nie wieder sein. Morgen werde ich älter sein – aber auch nur, wenn ich Glück habe! Denn das sollten wir alle nicht als selbstverständlich ansehen.

Der neue Song „Live A Little“ erweckt den Eindruck, dass Sie den Wunsch hegen, aus dem Musikgeschäft auszusteigen.
Ja, manchmal ist das so, aber ich werde sofort zum Schweigen gebracht, wenn ich so etwas ausspreche.

Von wem?
Von meinem Team, von meinen Freunden. Wenn ich sage: „Nie wieder!“ sagen sie: „Sei still, du weißt selber, dass du weitermachen willst!“ Aber es ist gut, wenn ich es mir hin und wieder sage, dass ich aufhöre, nur damit ich weiß, dass es auch andere Optionen im Leben für mich gibt. Nach dem Motto: Ich muss das hier nicht machen, ich kann auch die Flucht ergreifen! Das nimmt mir viel von dem Druck, den ich mir mache. Und es erinnert mich daran, mir mal eine Pause zu gönnen.

„Golden“ erscheint am 6.4. bei BMG.

Katja Schwemmers

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