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Kurt Vile am Dienstagabend (4.Juni 2019) auf der Bühne des Astra-Kulturhauses.

© Onkel Diggi/Darmstadt/Shanghai

Kurt Vile in Berlin: Nicht bleiben, nicht gehen wollen

Zurück zum Slackertum: Kurt Vile und seine Violators gaben im Astra Kulturhaus ein nicht zwingendes, aber doch schön entspanntes Konzert.

Ob es mit Kurt Vile zu tun hat? Dass es seit Tagen so schön heiß und suppig ist, und es auch in der Umgebung der Revaler Straße und auf dem bunt-heruntergekommenen RAW-Gelände extrem entspannt, zurückgenommen zugeht, trotz eines ausverkauften Astra-Kulturhauses? Der amerikanische Singer, Songwriter und Gitarrist hat ja eine gewisse Aura, viel mehr noch seine Musik, seine manchmal schlurfenden, sich kontemplativ in die Länge ziehenden, manchmal auch in psychedelische Gefilde abdriftenden Folk-Rock-Songs. Das scheint sich auf die Stimmung des Publikums und dieses Abends bereits auszuwirken, bevor Vile überhaupt mit seiner Band The Violators auf die Bühne gekommen ist.

Vile scheint am liebsten gar nicht kommunzieren zu wollen

Kurt Vile ist so etwas wie ein „Slowburner“ – er hat sich in den letzten Jahren gerade in Europa mit seiner leisen, melancholischen Schmerz- und Schmerzüberwindungsmusik ein allmählich größer werdendes Publikum erspielt, war erst im Herbst des vergangenen Jahres mit seinem jüngsten Album „Bottle It In“ im Huxleys, und wird dort in ein paar Monaten wieder auftreten. „Bottle It In“ ist sicher nicht sein bestes Album. Die beiden Vorgänger „Wakin On A Pretty Daze“ und „B’lieve I’m Goin Down“ sind zwingender, auf den Punkt gebrachter, im Subtext wehmütig-melodiöser, nicht zuletzt auch das Album, das er mit seiner Kollegin Courtney Barnett aufgenommen hat.

Aber das spielt keine größere Rolle für dieses Konzert, geht es doch einmal durch das Werk Viles der vergangenen sechs, sieben Jahre. Zu der Entspanntheit und Laidbackness des Abends gehört allerdings auch, dass Vile nicht viel Aufhebens um seine Person macht, er nur so viel mit dem Publikum kommuniziert wie nötig. Bisweilen bekommt man den Eindruck, er würde das am liebsten ganz sein lassen und sich nur auf sein Gitarrenspiel und seine wunderbare, zwischen J.Mascis und Neil Young changierende, aber viel besser als diese die Töne treffende Stimme konzentrieren. Die langen schwarzen Haare haben in dieser Hinsicht was für sich. Hinter ihnen lässt es sich gut verstecken, so wie das früher Nirvana und Konsorten auch gern getan haben. Überhaupt ist Vile ein Wiedergänger der Grunge-Musiker der neunziger Jahre mit seinem Holzfällerhemd- T-Shirt-Jeans-Turnschuh-Outfit (von weitem könnte man auf den Gedanken kommen, er habe ein Wipers-The-Circle-Band-T-Shirt an). J.Mascis und Mark Lanegan lassen grüßen - viele Worte ans Publikum haben die auf ihren Konzerten auch nie gerichtet.

Vile wechselt Song für Song die Gitarre

Viles Songs sind jedoch im Vergleich viel ruhiger, verhaltener, folkiger, wobei er und seine Band sie auf der Bühne des Astras nicht allzu sehr auswalzen. Viele Stücke scheinen kürzer als auf den Alben zu sein. Erstaunlich, dass Vile praktisch jeden Song mit einer anderen Gitarre spielt, mal rot- oder grüngetönten elektrischen, mal akustischen, einmal mit einem Banjo. Und doch, ja, es ist ein schöner Konzertabend. Aber auch einer, der vielleicht... ein wenig schwingungsarm ist, eine gewisse Unentschlossenheit ausstrahlt. So wie sie Vile in „Peeping Tomboy“ von seinem ersten Nicht-Lo-Fidelity-Album „Smoke Ring For My Halo“ zum Ausdruck bringt: „I don't wanna change but I don't wanna stay the same/I don't wanna go but I'm runnin'/I don't wanna work but I don't wanna sit around“. Tja, was denn nun? Ist der Slacker doch wieder im Kommen?

Immerhin schafft es Kurt Vile dann, sich wieder von seinem Schemel zu erheben: „Peeping Tomboy“, im übrigen wirklich einer der allerschönsten Songs von ihm mit so einer ganz zart getupften, leicht kreiselnden Gitarrenmelodie, hat er ohne Band mit der Akustischen performt. Danach geht es weiter und weiter: die Biere fließen, die Köpfe werden leicht hin und her genickt, die eine oder andere Hüfte langsam geschwungen. Erst als Vile und die Violators die ersten Takte von „Pretty Pimpin“ spielen, dem Eröffnungsstück von „B’lieve I’m Goin Down“, dem tanzbarsten, groovigsten Song von Vile, seinem sozusagen größten Hit, ja, erst da wissen alle, dass dieses Konzert sich seinem Ende nähert, es nicht ewig so weiter gehen kann. Back to life. Back to reality. Aufwachen. Damit man am nächsten Morgen den Mann oder die Frau im Spiegel, die Vile in "Pretty Pimpin" so ratlos besingt, wiedererkennen kann.

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