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Werke von Josef Albers, Georg Herold, Oskar Schlemmer, Sylvie Fleury und anderen.

© Hans Georg Gaul

Kunst aus der Daimler-Sammlung: Hyänen am Hundehalsband

Oskar Schlemmer, Imi Knoebel, Sylvie Fleury: Das Haus Huth am Potsdamer Platz zeigt die Kunstsammlung des Daimler-Konzerns.

Mit einem Foto beginnt für René Kanzler die Manipulation. Als Dokument, das viele immer noch in der Fotografie sehen wollen, taugt es bloß, um den künstlerischen Prozess der Veränderungen aufzuzeigen: Kanzlers Ansichten von Bäumen in der Daimler Art Collection sind wunderschön. Aber halt nicht echt.

„Industrial Peace“ lautet der Titel der beiden Bilder von 2016 und signalisiert einen Zustand fragiler Balance. „Betriebsfrieden“ entsteht, wenn alle Seiten mit dem Ausgehandelten zufrieden sind. Ein Thema, das sich durchaus als Grund lesen ließe, weshalb der Stuttgarter Autobauer die Arbeiten angekauft hat. Doch so einfach ist das nicht: Guten Sammlungen von Unternehmen haben ein inhaltliches Konzept, das von Konzerninteressen weitgehend unberührt bleibt. Wobei „Mercedes-Benz C111“, Andy Warhols Siebdruck von 1986, der wie Kanzlers Bäume in der Jubiläumsschau „44 Jahre Daimler Art Collection“ hängt, vom Gegenteil zu künden scheint. Allerdings gehörte es zur Strategie von Warhol, sich kaufen zu lassen.

Die anderen hier ausgestellten Werke haben (nahezu) nichts mit ihrem Geldgeber zu tun. Start war der Kauf eines Gemäldes von Willi Baumeister, der in Stuttgart lebte und zur europäischen Avantgarde der Nachkriegszeit zählte. Und natürlich ist mit „Ruhe und Bewegung II (auf Blau)“ von 1948 eine Arbeit des Künstlers im Haus Huth am Potsdamer Platz vertreten: Abstrakt, aber auf ein Formvokabular reduziert, das sich sehr wohl in der figurativen Sphäre verankert.

[Daimler Art Collection, Haus Huth, Alte Potsdamer Str. 5, bis 29. Mai, tägl. 11–18 Uhr]

Baumeister hängt in einem kleinen, grau gestrichenen Raum gemeinsam mit anderen Inkunabeln der Sammlung. Ein Hochformat von Oskar Schlemmer aus den 1920er Jahren und ein schwarzes Bild von Josef Albers tauchen hier ebenso auf wie Arbeiten von Karin Sander, Georg Herold oder der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury, die sich sonst eher mit Luxusproblemen befasst, hier jedoch mit dem wunderbar lapidaren Spraybild „Zylon Painting“ (1994) vertreten ist, das sein Besitzer selbst immer neu gestalten kann. Es sind – Schlemmer einmal ausgenommen – sicher nicht die wertvollsten Objekte der Art Collection, für ihre Zusammenstellung auf engem Raum muss es andere Gründe geben.

Am ehesten scheinen von hier aus die thematischen Fäden zu reichen, an denen sich auch die Kunst in den übrigen Ausstellungsräumen orientiert. Es geht um Konzeptuelles wie im Fall von John M. Armleder, Imi Knoebel, Guan Xiao oder Pietro Sanguineti, der mit „private property (I)“ von 1999 die eigenartige Möblierung solcher Eigentumszonen in eine Installation überführt.

Die Sammlung ist alles andere als rückwärtsgewandt

Es geht aber ebenso um abgründigen Witz, sensible Momentaufnahmen oder Radikales wie ein Streifenbild von Richard Paul Lohse, dessen konstruktive Farbkomposition „Eine und vier gleiche Gruppen“ (1949/1968) sich wie ein Leitbild durch die Schau zieht. Egal, ob Sarah Morris oder Anselm Reyle, dessen Neon-Arrangements Daimler schon 2004 angekauft hat: Solche Künstler:innen scheinen sich immer wieder auf einen Minimalisten wie ihn – und vielleicht noch die Lichtarbeit von Francois Morellet im grauen Raum – zu beziehen.

Trotzdem ist die Sammlung alles andere als rückwärtsgewandt. Im Gegenteil: Was Renate Wiehager seit nunmehr zwei Jahrzehnten als Leiterin der Sammlung mit Blick auf die zunehmende Globalisierung (auch auf Daimler sicherlich) hinzugekauft hat, ist von internationaler Reputation. Cao Fei, Dieter Blum, Mbali Dhlamini, Haris Epaminonda, Lina Bo Bardi oder Pieter Hugo, dessen Fotos aus Nigeria von Männern mit Hyänen am Hundehalsband von 2005 längst weltberühmt sind. Überhaupt fällt die Fokussierung auf Fotografie und filmische Werke in jüngerer Vergangenheit auf: Eine Entscheidung, die wohl nicht zuletzt die Beliebtheit beider Medien bei zeitgenössischen Künstler:innen spiegelt.

Wer diese Schau besucht, wird mit der beispielhaften Initiative eines Unternehmens konfrontiert. Auch wenn es immer noch schmerzt, dass Daimler sich am Potsdamer Platz für den Abbau diverser Skulpturen im öffentlichen Raum entschied. „Balloon Flower (Blue)“ von Jeff Koons verschwand 2010. Fast noch mehr fehlen die leuchtenden Pop-Art-Räder von Robert Rauschenberg, die vier Jahre später aus dem Wasserbassin am Haus Huth entfernt wurden. Mehrfacher Vandalismus war der Grund. Nun weist nichts mehr auf die Ausstellungen im oberen Stockwerk hin, der Platz ist elend verwaist. Vielleicht würde ein Stein von Ulrich Rückriem helfen – auch er gehört zur Sammlung.

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