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Kultur: Kungeln für das Kuppel-Ei

Die Berlinische Galerie zeigt in der Ausstellung „Das Neue Berlin“ Entwürfe für Regierungsbauten und Botschaften seit 1990.

Das Kanzleramt bildet die beliebte Kulisse unzähliger Touristenfotos. Seht her, wir waren in der Hauptstadt! Dass es einmal eine geradezu erbitterte Debatte um diesen Bau gegeben hat, ist längst ins Vergessen geraten. Da hilft die Berlinische Galerie, die als Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur das Gedächtnis der Stadt in ihren neueren und neuesten Hervorbringungen darstellt, mit der Ausstellung „Das Neue Berlin. Internationale Entwürfe für Regierungsbauten und Botschaften seit 1990“. Zahlreiche Modelle erinnern daran, wie die Hauptstadtwerdung Berlins nach der Wiedervereinigung im Herbst 1990 architektonisch vonstatten ging.

Es begann mit dem Kapitel „Spreebogen“. Der Wettbewerb von 1993 schuf das Fundament, auf dem sich die Planungen für Kanzleramt und Bundestagsbauten entfalten konnten. Axel Schultes und Charlotte Frank haben ihren so ungemein suggestiven, rot glühenden Computerdruck hergeliehen, aus dem das von ihnen zunächst „Spur“ genannte „Band des Bundes“ in leuchtendem Cyanblau heraussticht. Die lange Reihe der Tische, die den Ausstellungsraum in dem stets etwas zu nüchternen Gebäude der Berlinischen Galerie durchschneidet, wird mit den Großmodellen der beiden Kanzleramts-Sieger eingeleitet, erneut Schultes/Frank auf der einen Seite und KSV Krüger/Schuberth/Vandreike auf der anderen. Was wurde damals, 1995, um Säulen und Symmetrien gestritten! Dass Bundeskanzler Kohl sich für das aus dem Osten stammende Büro KSV stark machte, ist heute nur mehr historische Folklore. Damals irritierte, dass ausgerechnet die dem SED-Monumentalismus entronnenen Nachwuchsarchitekten von KSV in einer Weise auftraten, die manch einen hypersensiblen Westler sogleich an Speer & Konsorten denken ließ.

Der andere große Streit wogte um den Reichstag, den der Deutsche Bundestag zu seinem Berliner Sitz erkor. Kuppel oder nicht war jahrelang eine Glaubensfrage. Dass Wettbewerbssieger Norman Foster zur Kuppel geradezu gezwungen werden musste, erschließt sich in der Ausstellung aus dem abrupten Übergang der gezeigten Fotografien von der Wettbewerbseinreichung „Tankstellendach“ zum Ausführungsentwurf „Kuppel-Ei“ mitnichten. Zwischendrin der zweitplatzierte Spanier Santiago Calatrava, der die Kuppel-Idee für sich reklamierte, ohne damit jemals Gehör zu finden. Die Politik wollte den smarten Briten Foster, der ihr so schön Energieeinsparung qua Tiefenbohrung und derlei Zuckerchen vormachen konnte. Eine Collage von Christo und Jeanne-Claude aus dem Jahr 1992 erinnert in der Ausstellung daran, dass es lange vor der Politik ein Künstlerpaar war, das sich um den jahrzehntelang herzlich ungeliebten Reichstagskoloss bemüht hatte. Immerhin, die Verhüllung kam ja, als Abschluss – wenn man so will – einer Epoche. Davon ist in der Ausstellung naturgemäß nicht die Rede.

Das Kapitel „Botschaftsbauten“ bringt Farbe in die Ausstellung. Herausragend das Polyesterharz-Modell von Rem Koolhaas und seinem Büro OMA, die die Niederländische Botschaft am Spreeufer in entfernter Anlehnung an ein Möbiussches Band konzipierten. Francisco Serrano und Teodoro González de Léon gaben der Mexikanischen Botschaft, im Jubeljahr 2000 eröffnet, ein dynamisches Gesicht. Das Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik gab gleich eine Reihe von Fotografien als Leihgaben hinzu, um seinen Bau der Indischen Botschaft in herrlichstem roten Sandstein gebührend vertreten zu wissen.

Die Ausstellung ist eine Bestandsdarbietung: Gezeigt wird, was die reiche Sammlung der Berlinischen Galerie birgt. Durch Schenkungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, das bei den meisten gezeigten Vorhaben federführend war, wuchs sie unlängst weiter an. Die aktuelle Schau ist kein vollständiger Überblick – eher ein Augenzwinkern, mit dem Versprechen auf mehr.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, bis 30.9., Mi-Mo 10-18 Uhr

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