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Arme hoch durch die Nacht. Party bringt auch Kohle.

© Getty Images/Hinterhaus Productions

Kulturpolitik und Clubkultur: Wohin steuert der neue Senator Joe Chialo?

Der neue Kultursenator will sich vor allem für Kreativwirtschaft und Clubkultur in Berlin einsetzen. Reicht das?

Bei öffentlichen Äußerungen des neuen Kultursenators fällt auf, wie häufig er über Clubkultur und Kreativwirtschaft spricht. Das scheint bei Joe Chialo (CDU) Priorität zu haben, da kennt sich der ehemalige Popmusikmanager aus. Bei der Berliner Clubkommission findet Chialos Engagement natürlich Anklang. Sie „begrüßt die zahlreichen positiven Bezüge zur Berliner Clubkultur im Koalitionsvertrag und erkennt darin ein Bekenntnis der neuen Regierung zur Clubkultur der Hauptstadt, das es einzulösen gilt.“

Nun ist das kein neuer Dreh. Schon Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) hat sich für die Clubs eingesetzt und Kultursenator Klaus Lederer von der Linken umso mehr. Zu seinem Abschied schrieb die Clubkommission: „Klaus, du hast uns stets begleitet, unterstützt und uns zu neuen Projekten ermutigt. Die vielfältige sub- und clubkulturelle Szene Berlins war für dich ein klarer Bestandteil der Kulturlandschaft der Hauptstadt.“

 Menschen von der Teilhabe auszuschließen war der Teil der Arbeit, den ich ungerne gemacht habe.

Joe Chialo, Kultursenator und Ex-Türsteher

Daraus leiten sich Ansprüche ab. Allerdings kann die Kulturpolitik nur begrenzt etwas tun, da es sich meist um Mietprobleme und ganz allgemein um die heftigen Herausforderungen des Berliner Immobilienmarkt handelt. Die treffen Clubbetreiber ebenso wie Kleingewerbe, Kinos, Galerien, Bildende Künstler, Off-Theater und Wohnungssuchende überhaupt.

In Friedrichshain am Ostkreuz könnte der mögliche Weiterbau der Autobahn A100 mehrere Clubs am verdrängen, aber auch soziale Einrichtungen. Dagegen wird demonstriert unter dem Motto „Wem gehört die Stadt?“ Ähnlich wie einst Castorfs Volksbühne, mutieren die Clubs zum Symbol eines missverständlichen Gentrifizierungsstreits.

Betrachtet man die Entwicklung in großen Städten, dann zeigt sich, dass ein international ausstrahlendes Kulturangebot die Attraktivität und den Preisdruck mit erhöhen. Und in Berlin ist Party Teil vom Ganzen. Oder geil vom Tanzen?

Auf dem RAW-Gelände an der Revaler Straße soll in den nächsten Jahren ein neues Quartier entstehen, mit Geschäften, Büros, Wohneinheiten, Gewerbe und Kultur. Das riesige, zum Teil brachliegende Party-Biotop zieht clevere Zwischennutzer und langfristig Investoren an, schäbig-sexy, eine alte Geschichte. Es gibt dort Flohmarkt und Gastronomie, Bars und Kletterturm und Clubs. Eine Unterscheidung von Kultur und rein kommerzieller Nutzung ist hier kaum möglich, Vermüllung inklusive.

Baurechtlich sind Musikclubs mittlerweile als Kulturstätten anerkannt. Sie gelten als „Anlagen für kulturelle Zwecke“ und nicht mehr als „Vergnügungsstätten“, wozu Bordelle und Spielhallen zählen. Was wenig ändert an der kommerziellen Ausrichtung. Clubs müssen Geld verdienen. Der Begriff der Clubkultur ist so undeutlich wie die Rede von Unternehmens- oder Esskultur.

Clubkultur bildet in Berlin unbestritten einen Wirtschafts- und Standortfaktor. Das gilt aber erst recht für Museen, Opern, Konzerthäuser und Theater, die in dieser Stadt besonders ausgeprägte so genannte Hochkultur. Auch dieser Begriff verleitet zu Irrtümern, sind doch in Berlin die kulturellen Einrichtungen schon wegen ihrer vergleichsweise moderaten Ticketpreise niederschwellig.

Joe Chialo hat früher als Türsteher in einem Club gearbeitet. In seinem Buch „Der Kampf geht weiter“ schreibt er: „Ich war für Face Controlling zuständig. Ich sollte entscheiden, der reindarf, wer draußen bleibt ... Menschen von der Teilhabe auszuschließen war der Teil der Arbeit, den ich ungerne gemacht habe.“

Sicher, ins Berghain kommt jeder - wenn es dort Konzerte gibt oder eine Kunstausstellung. Clubkultur kann man schon als elitäre, exklusive Szene beschreiben, mit eigenen Gesetzen. In der Politik wird sie gefeiert, ein kurzer Weg zu jüngeren Wählern. Und mit Joe Chialo hat sie wieder eine starke Lobby im Senat. Wie sehr er sich für den ganzen anderen Rest in seinem Ressort interessiert, ist noch nicht klar.

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