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Die Künstlerin Valie Export.

© dpa

Künstlerin Valie Export wird 80: Der Körper als Bühne

Sie gilt als Ikone der Performance, verhandelt Identitäts- und Körperbilder: Zum 80. Geburtstag der österreichischen Künstlerin Valie Export.

Wenn es eine Frau in der Kunstwelt gibt, die Ahnung vom weiblichen Körper und dessen Sprache hat, dann ist es Valie Export. Sie gilt als die Godmother der Performancekunst. Ihr „Tapp- und Tastkino“, mit dem sie sich 1968 in München in die Fußgängerzone stellte, versteht man sofort. Eine Pappschachtel war vor die Brust der Künstlerin geschnallt und Männer durften ihre Hände durch die Öffnung dieses Pappfernsehers stecken und ihre nackten Brüste berühren. Man sieht zwar nicht, was sich in diesem Kasten abspielt, dafür, was im Außen passiert, die schambehaftete Begegnung zwischen Mann und Frau. Expanded Cinema vom Feinsten. Medienkritik. Männerkritik. Das ist Valie Export immer wieder gelungen. Sie hat den weiblichen Körper schon früh als Schnittstelle zwischen Innen und Außen gedacht, als Leinwand, als Bühne, als Prothese.

Bei der „Aktionshose Genitalpanik“ ist auch der Name Programm. Dass eine Frau sich mit einer im Schritt weit ausgeschnittenen Hose durch ein Pornokino schiebt, geht gar nicht. Damals nicht, und heute wäre es genauso uncool. Das Internetpublikum ist in dieser Hinsicht sogar noch viel strenger. Weibliche Selbstermächtigung - peinlich! Valie Export hat sich damals in der oben genannten Montur und mit Maschinengewehr recht punkig fotografieren lassen, das Bild wollte erst mal lange niemand ausstellen. Heute streichen sie in den Museumsdepots vorsichtig mit Wattestäbchen über ihre Poster und Fotodokumente, entfernen Silberfischchenkot, flicken winzige Risse im Papier.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

In Linz, wo Valie Export 1940 als Waltraud Lehner geboren wurde, gibt es seit 2015 ein Valie Export Center. In einer ehemaligen, von Peter Behrens gebauten, Tabakfabrik wird ihr Vorlass gepflegt und erforscht. An den Unis lernen junge Leute anhand ihrer Kunst, wie man die eigene mediale Gegenwart untersuchen kann. Marina Abramovic, die andere weibliche Ikone der Performancekunst, hat die Genitalpanik-Performance 2005 im Guggenheim Museum noch mal aufgeführt. Sie ist jetzt Kunstgeschichte.

Ihre Werke werden einfach nicht alt

Obwohl Valie Export sich mit ihren frühen Werken ebenso gegen das restriktive kleinbürgerliche Milieu auflehnte wie die Wiener Aktionisten, fühlte sie sich den Körperexperimenten von Künstlerinnen wie Carolee Schneemann oder Yoko Ono viel näher als der sexistischen Schockkunst ihrer Landsmänner. Mittlerweile hat sie viele Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Kunstpreis der Roswitha-Haftmann-Stiftung in Zürich. Erst seit Anfang der 90er Jahre werden ihre Plastiken im öffentlichen Raum präsentiert, bekommt sie langsam Ausstellungen in großen Museen. Jetzt mit 80, kann sie ernten, was sie gesät hat. Talentierte Frauen müssen darauf immer noch etwas länger warten als talentierte Männer. Aber zumindest passiert es bei ihr.

Valie Export, deren Pseudonym sich aus der Abkürzung von Waltraud und dem Namen einer Zigarettenmarke zusammensetzt, lehrte in Köln, Berlin und San Francisco. Ihre Filme wurden 2018 im Rahmen des Festivals „Rencontres Internationales“ im Centre Pompidou ausgestellt, sind oft Thema, wenn es um die Frage nach Identitäts- und Körperbildern geht. Zu Ehren ihres runden Geburtstags sind mehrere Ausstellungen geplant, manche mussten wegen Covid-19 verschoben werden. Eine Retrospektive des Filmarchivs Austria, mehrere von Exports Spielfilmen, sind aber schon mal online zu sehen (https://www.filmarchiv.at).

Im Film „News from home“ von 1988 kann man zum Beispiel die Schriftstellerin Elfriede Jelinek dabei beobachten, wie sie in einem schicken Sessel ausgestreckt, die Fernsehnachrichten des Tages kommentiert. Das erinnert retrospektiv an die Influencer von heute, die sich selbst dabei filmen, wie sie die Beiträge anderer Youtuber anschauen. Im Diskurs um virtuelle Körper und Posthumanismus mischt die Österreicherin immer noch mit. Etliche Künstler nach ihr hätten aus einer einzigen Arbeit von Valie Export ein ganzes Lebenswerk aufgebaut, sagen Bewunderer über sie. Ihre Werke werden einfach nicht alt.

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