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Plakative Pracht des Sommers. David Hockneys Gemälde „Three Trees near Thixendale, Summer 2007“ besteht aus acht Leinwänden.

© Richard Schmid

David Hockney in der Berliner Gemäldegalerie: Kronen von Yorkshire

Bäume sind Träume der Farben: David Hockneys Jahreszeiten-Zyklus in der Berliner Gemäldegalerie.

Vier Jahreszeiten ploppen wie im Zeitraffer auf, gebannt auf vier Riesengemälde. Umgeben von David Hockneys farbgesteigerten Landschaften steht man mittendrin im Zentrum der sich wandelnden Natur und der vergehenden Zeit.

Der Brite wählte 2007 ein pompöses Format für seine vierteilige Serie und machte die immergleiche Baumgruppe zum Hauptdarsteller in Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ein kapitales Trio von mächtigem Geäst und weitausladenden Kronen hatte er da in seiner heimatlichen Hügellandschaft Yorkshires entdeckt, nahe von Thixendale.

Berühmt wurde er durch Swimmingpools

Der durch seine azurblauen Swimmingpoolbilder in Kalifornien berühmt gewordene Maler entdeckte die Landschaftsmalerei für sich, als er in fortgeschrittenem Alter in seine britische Heimat zurückkehrte. Als Stichwortgeber, kompositorisch wie inhaltlich, nutzte er dabei die Alten und Modernen Meister.

Wie wörtlich er deren Kompositionsmuster nahm und in simplifizierender Weise neu zur Wirkung brachte, zeigt die Gemäldegalerie in der Wandelhalle anhand von knapp zwei Dutzend erlesenen Vergleichsstücken aus Berliner Beständen.

Hockneys Viererzyklus ist als Leihgabe aus der Sammlung Würth zugegen, wie zuvor schon Anthony Caros bombastische Installation „The Last Judgement Sculpture“.

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Tatsächlich gastierten auch Hockneys Jahreszeiten schon einmal in Berlin, 2015 zusammen mit hunderten weiteren Werken aus der Sammlung des Schraubenmagnaten Reinhold Würth im Martin-Gropius-Bau. Gelungener als die damalige Überfülle ist jetzt die thematische Konzentration. Gemäldegalerie-Chefin Dagmar Hirschfelder freut sich, sie will verstärkt aktuelle Perspektiven auf ihre altehrwürdigen Preziosen eröffnen.

Das Hockney-Gastspiel garniert auch den Auftritt eines jüngst spektakulär neu bewerteten Rembrandt-Gemäldes. Aufgrund aktueller technischer Untersuchungen gilt seine „Landschaft mit Bogenbrücke“ nunmehr als eigenhändiges Stück und nicht mehr nur als Schülerwerk.

[Gemäldegalerie, bis 10. Juli, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr]

Im bescheidenen Format entfaltet das Gemälde eine feinfühlig-tiefgründige Lichtregie, die dem plakativen Zugriff Hockneys fremd ist. Der 1937 geborene Brite streicht die Farbe seiner Spätwerke mit breitem Pinsel lässig auf, betont noch die Künstlichkeit seines Konzepts, indem er jeweils acht Leinwände puzzleartig zu einem Landschaftsbild zusammenrückt und so die Einheit des Bildes aufbricht.

Das serielle Prinzip übernahm Hockney von Monet, die rhythmischen Tupfen, Striche und Kringel des Farbauftrags von Vincent van Gogh. Zwei kostbare, temperamentvolle Rohrfederzeichnungen des Niederländers müssen aufgrund ihrer Fragilität nach zwei Wochen Ausstellungslaufzeit durch Faksimiles ersetzt werden. Die Tinte droht bei zu viel Lichteinfall das Papier zu zersetzen.

Van Gogh vertiefte sich in den Rhythmus der Natur

In seiner Wahlheimat der Provence vertiefte van Gogh sich 1888 in die spezifischen Rhythmen der dortigen Natur, strichelte Kornfelder, tüpfelte Gräser. Hockney arbeitete ganz ähnlich, nutzte aber auch Fotos als Vorlage. Neuerdings vertauscht der über 80-Jährige allerdings Palette und Leinwand lieber mit iPad und iPhone, als neuen Malertools.

Der unmittelbare Kontakt zur Natur aber bleibt sein Movens, genau wie schon für Rembrandt, Claude Lorrain oder den enorm einflussreichen John Constable. Sie alle sind hier exquisit vertreten. Im Netzwerk der hin und her flitzenden Einflüsse tut sich ein veritabler Schnellabriss der europäischen Landschaftsmalerei auf. Es beginnt um 1450 mit Piero della Francesca.

Gemalt bei Kerzenschein, nicht vor der Natur

Seine baumbestandene biblische Landschaft ähnelt mehr der heimischen Toskana. Auch die Niederländer studierten an Bäumen und Hügeln, was sie vor der eigenen Haustür vorfanden. Trickreich wahrten sie den Eindruck von Naturnähe, trotz durchinszenierter Kompositionen. Wie gut sich mächtige Bäume als Motiv machen, führt etwa Jacob von Ruisdael hochdramatisch vor. Davon angeregt tuschte Thomas Gainsborough britische Bäume effektvoll aufs Blatt. Er arbeitete im Atelier bei Kerzenschein, nicht vor der Natur.

Die berühmteste aller Baumgruppen gelang Rembrandt mit der Radiernadel in winzigem Format. Sein dicht beisammen stehendes Trio hebt sich prägnant vor hellem Himmel ab: anregende Blaupause für David Hockney, der das Blatt aus einem Werkkatalog Rembrandts kannte. So pflanzt sich Kunst fort. Im Wechsel der Jahreszeiten ließ er das abgewandelte Motiv wieder auferstehen, angeregt von einem echten Naturausschnitt, den er vom Auto aus bei einer Fahrt durch die Gegend entdeckte.

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