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Fäden spinnen: Der zweite Akt von „Thinking Hands – Dance of Earth and Thread“ feiert die koreanische Knotenkunst

© Ickheo

Korea im Admiralspalast: Wenn Krüge tanzen

Die in Berlin gastierende Musikperformance „Thinking Hands – Dance of Earth and Thread“ zelebriert koreanische Handwerkstraditionen.

Von Tye Maurice Thomas

Zwei Meister*innen koreanischer Handwerkstradition im Mittelpunkt einer außergewöhnlichen Kombination aus Tanz- und Musikperformance, das ist „Thinking Hands – Dance of Earth and Thread“. Anlässlich des 140. Jahrestages der deutsch-koreanischen Beziehungen gastierte die Inszenierung am Dienstag im Admiralspalast. Eingeladen hatten die koreanische Botschaft und das National Intangible Heritage Center. Das im südkoreanischen Jeonju gelegene Zentrum widmet sich der Archivierung, Pflege und Präsentation des kulturellen Erbes von Korea.

Der erste Akt des 90-minütigen Abends ist der traditionellen Keramik gewidmet. Auf einem kleinen, in den Saal hineinragenden Podest ist eine Töpferscheibe aufgebaut. Sie bildet das Zentrum, ist Ort der Ruhe und konzentrierter Tätigkeit. Während sich der Ton unter den Händen Jungok Kims, des 84-jährigen Meisters einer seit 300 Jahren bestehenden Keramikerfamilie, zu kunstvollen Teeschalen formt, deuten Tänzerinnen und Tänzer hinter ihm auf der Hauptbühne sein Handwerk bildhaft aus.

Besonders der an Strawinskys „Sacre du Printemps“ angelehnte „Tanz des Mondkruges“, bei dem die bauchigen Gefäße in den Händen der Tänzer*innen schwerelos zu schweben scheinen, verbindet Anmut und Dramatik.

Im Zentrum des zweiten Aktes steht „Maedup“, die traditionelle koreanische Knotenkunst. Die Töpferscheibe ist einem Spinnrad gewichen, an dem die 80-jährige Hyesoon Kim Platz nimmt. Aus bunten Seidenfäden knüpft sie vor den Augen des Publikums kunstvoll verflochtene Ornamente. Sie symbolisieren die unentwirrbaren Beziehungen der Menschen, aber auch die sich daraus ergebende Gemeinschaft. Der Choreograph Yonggeol Kim verbindet Elemente des klassischen Balletts mit denen des modernen wie des traditionellen koreanischen Tanzes und schafft assoziationsreiche Bilder, auch dank der fantasievollen Kostüme von Chunhong Min, assoziationsreiche Bilder.

Im „Lied der Seidenraupe“ etwa verkörpern die Tänzer:innen den mehrgliedrigen Körper der Raupe und deren einzelne Seidenkokons. Parallele Lichtstreifen (Lichtdesign: Ryeowon Kim) gleichen den Reihen des Webstuhls, in dem sich die Tänzer:innen als Verkörperung der einzelnen Farben bewegen, erst getrennt, später kunstvoll miteinander verflochten.

Die eingespielte Musik von Sundo Chung greift sowohl auf traditionelle und psychedelische Klänge als auch auf Popmusik zurück, mal ist sie tranceartig, mal kraftvoll-rhythmisch. Leider wirkt die Stilmischung oft beliebig und eher erdrückend als erhebend, besonders beim verklärenden Schluss.

Nicht alles an Cecilia Heejeong Kims Inszenierung erschließt sich sofort. Doch hier liegt auch ihr Reiz, wie der Beifall des mehrheitlich koreanischen Publikums bezeugt. Wo verlaufen die Grenzen zwischen Kunst und Handwerk? Welchen Stellenwert hat uralte Handwerkskunst in einer beschleunigten Moderne? Solche Fragen überhaupt aufkommen zu lassen, ist das Verdienst dieses faszinierenden Abends.

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