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Clara Schumann war eine der großen Klavierinterpretinnen ihrer Zeit.

© imago/Leemage

Konzerte zum 200. Geburtstag: Die Berliner Eisler-Hochschule feiert Clara Schumann

Schon früh regelte ein rigider Übungsplan das Leben von Pianistin Clara Schumann. Die Eisler-Hochschule ehrt die ruhelose Künstlerin mit einem Fest.

„Die Strahlende“ werde eine noch nie gesehene Weltkarriere als Solistin machen, davon war Friedrich Wieck fest überzeugt. Seine neuartige Klavierpädagogik sollte ihr den Weg ebnen: „nicht zu Tode üben“ (drei Stunden am Tag sind genug), nicht zu viel stricken, weil es „den Fingern die nöthige Lockerheit“ raube und jeden Tag tüchtig spazieren gehen, zur körperlichen Stärkung.

Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung über ihre Zukunft war Clara noch gar nicht zur Welt gekommen. Nachdem sie schließlich am 13. September 1819 in Leipzig geboren war, zog sie es in ihren ersten Lebensjahren vor, zu schweigen. Vielleicht, weil sie sich ganz in der Musik geborgen fühlte, vielleicht aber auch, weil der Lebensplan, der ihr zugedacht war, ihr den Atem nahm.

Mit neun debütierte sie im Gewandhaus. Goethe sagte über die junge Pianistin: „Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen.“ Ein zwiespältiges Lob, zeigt es doch, mit welch hohem Energieeinsatz Clara für das Ziel kämpfte, das ihr der Vater gesteckt hatte. Zu ihrem 200. Geburtstag in diesem Jahr wird Clara Schumann, geborene Wieck, noch einmal neu entdeckt. CDs dokumentieren Programme, mit denen sie durch Europa reiste, und geben ihren eigenen Werken Raum.

Ihre Geburtsstadt Leipzig richtet ihr mit der Veranstaltungsreihe CLARA19 ein komplettes Festjahr aus, im Schumann-Haus eröffnet eine neue Dauerausstellung, die sich unter dem Titel „Experiment: Künstlerehe“ ganz dem Musikerpaar Robert und Clara widmet. Diese gegen den erbitterten Widerstand des Vaters letztlich vor Gericht ertrotzte Verbindung träumt von einem Bund auf Augenhöhe, einem Leben für die Kunst und die Liebe.

Auch hier sind die Erwartungen hoch, diesmal die eigenen. Mehr als 20.000 Briefe, die Clara und Robert wechseln, sind erhalten geblieben, noch immer werden neue entdeckt. Die flammendsten stammen aus der Zeit des von Vater Wieck auferlegten fast dreijährigen Schweigegebots vor der Ehe.

Viele Widerstände beeinflussen ihr Leben

Erst löst die ersehnte Vereinigung einen Rausch aus. Robert schreibt mehr als die Hälfte seiner 250 Lieder nieder. Die beiden fühlen sich als geistige Doppelgänger, wollen auch im Alltag die Poesie der kleinen Dinge retten und beginnen ein Ehetagebuch. Der komponierende Mann, der nur seine eigene Musik im Haus ertrug, notiert darin: „Rechts hängt ihr Marie am Kleid, Elise macht ihr auch zu schaffen, und der Mann sitzt in Gedanken vertieft.“

Noch schwingt da ein Hauch hellsichtiger Ironie mit, doch Roberts Geisteszustand ist labil, er verkraftet es nicht, seine berühmte Frau auf Tournee zu begleiten. Clara fehlt es ständig an Zeit zum Üben, zehn Schwangerschaften und acht Geburten zehren an dieser disziplinierten Frau, trüben ihre Stimmung, die dem Feiern eigentlich so zugetan ist.

Auch ihre Zeitgenossinnen machen es Clara nicht leicht. Bettina von Arnim nennt sie „eine der unausstehlichsten Künstlerinnen“, weil sie, anders als damals unüblich, ohne Noten spielte. Für die Schriftstellerin war das Ausdruck grenzenloser Anmaßung, für die Pianistin Voraussetzung, um sich ganz in die Musik vertiefen zu können.

Ein „Fest für Clara“ an der Eisler-Hochschule

Was Clara spielte, hat die Pianistin Ragna Schirmer aus 1300 gesammelten Programmzetteln rekonstruiert. Sie tourte mit den oft langen und fordernden Konzertfolgen an Orte, die auch auf Claras Reiseplan standen. Zwei historische Auftritte hat Schirmer auf CD aufgenommen. Die Kammermusik-Matinee, die Clara 1847 im Salon von Fanny Hensel im Hotel du Nord Unter den Linden spielt, kombiniert Roberts Klavierquartett und Claras Klaviertrio, dazu Lieder von Fanny und Robert. Der Seelendialog kann hier nachklingen. Die Schumanns erwägen gar, nach Berlin überzusiedeln.

Die zweite CD dokumentiert ein Konzert, das Clara 1872 in England gegeben hat, wohin sie 19 gefeierte Tourneen führten. Robert ist lange tot, Clara arbeitet hart für den Unterhalt von Kindern und Enkeln. Sie spielt Beethoven, Brahms, Schumann, Chopin und Mendelssohn, Herzenskomponisten. Selber kommt sie in diesen Reisejahren nicht mehr zum Komponieren. Auch in den schwersten Zeiten lehnt sie finanzielle Unterstützung ab. Als Brahms Clara ermahnt, sie solle sich doch schonen, führt das zu Distanz zwischen den Lebensfreunden.

„Neben der ungezügelten, genialen Künstlernatur Robert Schumanns war Clara mir immer etwas fremd geblieben“, gesteht Claar ter Horst. „Zu folgsam schien sie mir, zu geordnet und strukturiert.“ Doch dann entdeckte die niederländische Pianistin, die an der Berliner Eisler-Hochschule lehrt, das vielschichtige Leben und Werk ihrer Namensschwester. Jetzt richtet sie ihr zusammen mit 70 Lehrenden und Studierenden ein zweitägiges „Fest für Clara“ aus. Von den Jugendtagebüchern, die zunächst noch vom Vater geschrieben wurden, spannt sich der Bogen über die Frau, Mutter und Freundin, Komponistin und Interpretin bis hin zur Herausgeberin und Pädagogin.

[Hochschule für Musik Hanns Eisler, Fr 1. 11., ab 18 Uhr, Sa 2.11., ab 11 Uhr. Weitere Infos unter www.hfm-berlin.de]

Clara zieht nach Berlin

Gegen Ende ihrer Laufbahn wurde Clara selbst Lehrerin in Frankfurt am Main. Streng soll sie gewesen sein, diese stets schwarz gekleidete Frau, die im Verdacht einer gewissen Humorlosigkeit stand. Vielen Pianistinnen hat sie die Türen aufs Konzertpodium geöffnet. Berlin, wo ihre geschiedene Mutter lebte, ist für Clara eine Art Fluchtpunkt, der auch die Möglichkeit eines anderen Lebens birgt. Nach Roberts Tod zieht Clara an die Spree, insgesamt verbringt sie zehn Jahre in der Stadt und gibt mehr als 70 Konzerte.

Schließlich scheint ihr die Königliche Bibliothek „eine würdige und sichere Stätte“ für Roberts Manuskripte. Heute sind auch 13 Bände mit Kompositionen von Claras Hand Teil der Berliner Schumann-Sammlung. Die Staatsbibliothek steuert eine Auswahl als Faksimiles zum Fest bei, eine Ausstellung und ein Stadtspaziergang folgen den Spuren der Jubilarin. „Benutzt die Minuten – sie sind unwiederbringlich“, hat Clara ihren Kindern eingeimpft. Die Hochschule für Musik schenkt dieser rastlosen Künstlerin zum 200. ein paar Mußestunden.

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