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Der französische Bratschist Antoine Tamestit.

© Alescha Birkenholz

Konzert in der Philharmonie: Ein amerikanischer Abend

Violavirtuose Antoine Tamestit begeistert bei einem Konzertabend mit Musik der amerikanischen Einwanderer Bartók, Martinů, Dvořák und Weill.

Lackschuhe, Smoking, Stehkragenhemd – aber keine Fliege. Antoine Tamestit legt durchaus Wert auf eine elegante Erscheinung. Ein geknotetes Stoffband am Hals aber mag der französische Violavirtuose nicht tragen. Weil es ihm den Kontakt zu seinem Instrument erschwert. Wenn Tamestit spielt, verschmelzen Mensch und Bratsche zur Einheit, der Körper vollzieht die Bewegungen der Musik mit, die Töne erzählen von den Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen.

Gleich bei zwei Werken ist der 40-Jährige am Mittwoch als Solist in der Philharmonie zu erleben, im herben, aus nachgelassenen Skizzen vervollständigten Violakonzert von Béla Bartóks und in Bohuslav Martinůs Rhapsodie von 1952, einem überraschend lieblichen Alterswerk des Tschechen.

Enorm, über was für eine Ausdruckspalette Antoine Tamestit dabei gebietet. Ob er eine Passage besonders kraftvoll angeht oder wunderbar warm und sanglich, ob er fahle Klangfarben wählt oder rhythmisch ruppig wird, stets bleibt er als Interpret absolut integer. Falsches Pathos wird man bei ihm ebenso wenig hören wie effekthascherischen emotionalen Überdruck.

Maximal große Orchesterbesetzung

In Martinus Rhapsodie widersteht er der Versuchung, sentimental zu werden, keine Sekunde kippt die Süße seiner Kantilenen ins Zuckrige. Diese Balance von mitfühlender Innerlichkeit und klarsichtiger Ratio beeindruckt nicht nur das Publikum, sondern ebenso die Musikerinnen und Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters, die begeistert in den Applaus einstimmen.

Einen american evening hat Chefdirigent Robin Ticciati konzipiert, mit vier Werken europäischer Komponisten, von denen allerdings nur einer freiwillig in die USA kam. Antonín Dvořáks nämlich, dessen achte Sinfonie Ticciati zur Partitur der unbegrenzten Möglichkeiten erklärt: Im luxuriösen Breitwandsound rauscht die mitreißend-melodieselige Musik vorbei.

Eine maximal große Orchesterbesetzung nutzt der DSO-Chef auch für die Suite aus dem Musical „Lady in the Dark“ von Kurt Weill, der wie Bartok und Martinů als Flüchtling vor den Nazis nach Amerika kam. Prächtig klingen die Songs, so wie Robert Bennett sie arrangiert hat, aber eben auch nach sinfonischer Doppelrahmstufe. Bei den 467 Aufführungen, die das Stück ab 1941 am Broadway erlebte, saßen lediglich 25 Musiker im Graben.

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