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Der Komponist David Philip Hefti (links) mit dem Scharoun Ensemble beim Zermatt Festival 2023

© Omaire

Komponist David Philip Hefti: Sprechende Expressivität 

Das Berliner Scharoun Ensemble feiert seinen 40. Geburtstag mit einer Auftragskomposition des Schweizer Komponisten David Philip Hefti. 

Von Regine Müller

Zermatt liegt im Kanton Wallis am Fuße des ikonischen Matterhorns, dem vielleicht berühmtesten Berg überhaupt, und ist vor allem im Winter ein touristischer Hotspot. Aber auch im Spätsommer wimmelt es vor Menschen auf der Bahnhofsstraße mit ihren Kneipen, Restaurants und teuren Shops. Zugleich aber ist Zermatt eine entschleunigte Welt für sich - denn seit Menschengedenken herrscht dort ein striktes Autoverbot. Nur kleine Shuttle-Busse surren, elektrisch betrieben, durch den Ort.  

Im September transportieren die Shuttles häufig Menschen mit Instrumenten vom Bahnhof zu den Hotels und retour, denn dann läuft das Zermatt Music Festival. Erfunden wurde es 2005 vom Berliner Scharoun Ensemble, das sich vor genau 40 Jahren gründete und den ersten Teil seiner musikalischen Geburtstags-Party jetzt in den Bergen feierte.  

Kontrabassist Peter Riegelbauer ist Gründungsmitglied des Oktetts: „Von Anfang an hatten wir die Idee, ein Ensemble darzustellen, das auch sehr viel zeitgenössische Musik spielt“, sagt er. „Die großen Werke der klassischen Moderne wollen wir kombinieren mit den Werken der Romantik und der Klassik. Um uns möglichst breit aufzustellen.“ 

Musik in höchsten Höhen

Im Laufe seiner 40-jährigen Geschichte hat das Scharoun Ensemble viele Werke in Auftrag gegeben. Peter Riegelbauer hat sie zwar nie gezählt, schätzt aber, dass es sicher mehr als 100 sein dürften. Die Idee des Zermatt Festivals hatte ihren Vorläufer in einem kleineren Festival im Bahnhof Rolandseck bei Bonn: Dort war das Scharoun Ensemble einst zu Gast, das Konzept kombinierte Kammermusik mit einem kleinen Akademie-Betrieb.

Diese Grundidee faszinierte die Scharoun-Mitglieder, alsbald suchte man nach einem Ort für ein eigenes Festival ähnlicher Bauart. Als das Ensemble ein Konzert in der oberhalb von Zermatt gelegenen Riffelalp-Kapelle spielte, waren alle begeistert von der besonderen Aura der schroffen Bergwelt. 

EIn fliegender Flügel

Auch heute noch finden Konzerte in der Riffelalp-Kapelle statt, die nur über die Gornergrad-Zahnradbahn zu erreichen ist. Der Steinway-Flügel wird spektakulär mit dem Helikopter raufgeflogen. Daneben bespielt das Festival heute vor allem zwei Kirchen unten im Ort und Säle von Hotels.

Das Zermatt Festival ist wesentlich größer aufgestellt als sein Vorbild, nicht zuletzt durch die rund 40 Akademistinnen und Akademisten, die auch größere Besetzungen ermöglichen. So bieten die Konzerte programmatisch ein breites Spektrum, das von Bach Doppelkonzert für Violine und Oboe bis zu Neuer Musik reicht. Peter Riegelbauer betont, dass es in Zermatt immer wieder Composers in Residence gab wie Bratt Dean, Jörg Widmann oder Heinz Holliger. Allerdings in unregelmäßigen Abständen: „Wir verstehen uns nicht als ein Festival für Neue Musik. Dafür hätten wir hier auch nicht das Publikum“, so Riegelbauer.  

Omnipräsent beim Festival

Zum Vierzigsten aber gönnt man sich nun wieder einen Composer in Residence, der Schweizer Komponist David Philip Hefti ist beim Festival omnipräsent. Er dirigiert, er coacht die Akademisten, studiert eigene Werke ein und begleitet natürlich das Scharoun Ensemble bei den Proben zu seinem Oktett „Des Zaubers Spuren“, das im Auftrag des Ensembles entstand. 

Der Komponist David Philip Hefti

© Omaire

Für Hefti ist die Zusammenarbeit ein Glücksfall: „Eine Sache unterscheidet das Ensemble von allen, die ich kenne: Das sind einfach geniale Musiker-Persönlichkeiten, mit Betonung auf Persönlichkeiten. Jeder ist ein echter Charakterkopf und bringt noch etwas ganz anderes ein, der eine ist Gleitschirmflieger, der andere ist fast ein Sternekoch, wieder ein anderer ist ein totaler Berg-Freak. Und diese Charakterköpfe verschmelzen zu einer absoluten Homogenität.“ 

Lauter Charakterköpfe


David Philip Hefti studierte bei Cristóbal Halffter und Wolfgang Rihm. Als Vorbilder nennt er außerdem György Ligeti und György Kurtág. Der studierte Klarinettist verlangt den Ausführenden Virtuosität ab, Solisten können bei ihm „glänzen“. Hefti arbeitet mit klassischem Instrumentarium, verwendet eine avantgardistische Klangsprache mit experimentellen Spieltechniken, auch gelegentlich Mikrotonalität.  

Das neue Oktett beginnt mit liegenden Unisono-Klängen, steigert sich aber zu sprechender Expressivität. Als „fast romantisch“ hat Hefti seine Musik einmal bezeichnet. Das Publikum bei der Uraufführung besteht aus Einheimischen, Touristen und ein paar weitgereisten Musik-Fans. Alle lauschen aufmerksam, es gibt offenbar keine Verständnisprobleme, diese Musik teilt sich unmittelbar mit.  

Die besondere Aufmerksamkeit verdankt sich vielleicht auch dem speziellen „Zermatt-Effekt“, den Peter Riegelbauer beschreibt: „Zermatt ist ein völlig verrückter Ort, abgeschnitten von der restlichen Welt. Wenn man nach zwei Wochen wieder runter ins Tal fährt, hat man erstmal Probleme, überall fahren dann wieder Autos, das ist ganz merkwürdig. Diese Zurückgezogenheit ist einmalig.“ 

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