zum Hauptinhalt
Debora Antmann

© Privat

Kolumne Schlamasseltov: Illegale Wahlen und ein bisschen jüdische Telenovela

Um die Wahl des Gemeindevorstands der jüdischen Gemeinde Berlins gibt es seit Monaten Ärger. Hier schreibt unsere Kolumnistin, warum sie sich selbst als säkulare Jüdin da nicht raushalten kann.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Ich habe zwei Grundsätze, nach denen ich mich öffentlich „jüdisch“ verhalte. 1. Ich bin solidarisch mit Jüd_innen und wenn ich um Unterstützung gebeten werde, unterstütze ich, falls es mir möglich ist. 2. Als säkulare Jüdin halte ich mich aus Gemeindeangelegenheiten raus. Es steht mir nicht zu, mich betont säkular zu positionieren und dann meinen Senf zum religiösen Alltagsgeschehen in den Gemeinden abzugeben. So gut, so theoretisch.

Und dann hat der Gemeindevorstand der Berliner Gemeinde beschlossen, eine diskriminierende Wahlordnung zu beschließen und eine illegale Wahl durchzuführen. Nach Grundsatz 1 müsste es mir egal sein, dass Gideon Joffe und Konsorten beschlossen haben, nur noch die eigenen Friends zur Wahl zuzulassen, indem sie beispielsweise alle Angehörigen jüdischer Institutionen (mit Ausnahme jener natürlich, zu denen Mitglieder des bisherigen Vorstands gehören) von der Kandidatur ausgeschlossen und willkürliche Altersgrenzen festgelegt haben.

Petition gestartet

Nach Grundsatz 2 kann es mir nicht egal sein, weil mich aus diesem Missstand heraus engagierte, kluge jüdische Frauen um Unterstützung gebeten haben. Weil vor allem sie nicht damit einverstanden sind, was rund um die Wahl des Gemeindevorstands der Berliner Gemeinde seit Monaten passiert. Und plötzlich teile ich Petitionen und liefere Kontext zu einer Welt, von der ich mich sonst so weit wie möglich fernhalte. Aber die zahlenbedingte Realität ist: Gerade Jüd_innen können sich das eben nicht immer leisten – das Fernhalten.

Ein Beispiel aus der aktuellen Wahl-Telenovela: Um sich Gehör zu verschaffen, dass der Berliner Vorstand gegen das Urteil des Zentralrats eine illegale Wahl durchgeführt hat, hat Tikkun Berlin (die Gruppe, die erst mit Gegenkandidat*innen und dann mit Öffentlichkeit versucht hat, gegen die Diskriminierung und die Selbstbevorteilung des bisherigen Vorstands vorzugehen) eine Petition bei „OpenPetition“ gestartet. Damit das Anliegen aber im Abgeordnetenhaus landet, braucht es mindestens 11.000 Unterschriften. Die gesamte Berliner Gemeinde besteht gerade mal aus 8.378 Mitgliedern.

Ohne die Solidarität von säkularen Jüd_innen und Nicht-Jüd_innen hat das Bündnis also keine Chance, weil bei der Berechnung eben nicht miteinbezogen wird, dass in diesem Fall eine gesamt-jüdische Beteiligung von etwa 100 Prozent voraussetzt wird. Weil Petitionen, die zur Anhörung im Abgeordnetenhaus führen sollen, eben nicht für marginalisierte Gruppen gedacht sind. Allein deswegen schlägt jüdische Solidarität meine „Gemeinde-Neutralität“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false