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Musik verbindet. Die Kelly Family, 2017 bei der Verleihung des Medienpreises in Sachsen.

© Hendrik Schmidt/dpa

Kolumne Heilige Familie (Ende): Kinderzimmer als Probenraum

Weihnachtszeit ist Familienzeit. Höchste Zeit, sich über das Phänomen Familie ein paar Gedanken zu machen. Diesmal: Popfamilien.

Die vier singenden Schwestern und die beiden Discogenies trafen sich zum ersten Mal in einem New Yorker Studio. Der Chef von Atlantic Records, bei dem sie alle unter Vertrag waren, hatte sie zusammengebracht.

Ihm war klar, dass Nile Rodgers und Bernard Edwards von Chic gerade einen Lauf hatten. Da musste doch mehr für sein Label drin sein.

Und tatsächlich: Gleich der erste Song, den das Duo für die bis dahin kaum bekannte Gruppe Sister Sledge schrieb, war ein Knaller.

Aufgenommen in einer schnellen, fast improvisierten Session wurde „We Are Family“ 1979 zu einem Riesenhit – und zu einem der besten Familiensongs aller Zeiten.

„We are family/ I got all my sisters with me/ We are family/ Get up everybody sing/ We are family“ lauten die ersten Refrainzeilen – einfach aber eingängig, so muss es sein.

Fake-Familien hat es im Pop immer wieder gegeben

Seltsamerweise ist das Thema Familie ansonsten bei familiär verbandelten Bands kaum einmal hitträchtig bearbeitet worden. Immerhin gibt es die Ballade „An Angel“, in der die Kelly Family ihre Mutter betrauert.

Auch „Family Affair“ von Sly And The Family Stone könnte genannte werden, allerdings handelte es sich bei dieser Gruppe aus San Francisco um eine hippieske Wahlfamilie.

Solche Fake-Familien hat es in der Popmusik immer wieder gegeben, man denke an die Ramones, die Walker Brothers oder das deutsche Duo Sisters, das mit seinem Song „Sister“ beim Eurovision Song Contest im Mai auf den vorletzten Platz kam.

Eltern spielen bei Geschwisterbands oft eine wichtige Rolle

In einer Band ist man sich ähnlich nah wie in einer Familie – umgekehrt kann aus familiärer Nähe eine musikalische Verbindung erwachsen. Die Geschwister sind eh da, man spielt miteinander, manchmal singt man dann eben auch zusammen oder probiert sich als Band aus wie etwa die drei Wilson-Brüder und ihr Cousin, die später als Beach Boys berühmt wurden.

Die Basis für ihre berühmten Harmoniegesänge legten sie im Kinderzimmer, wo sie unter anderem den Everly Brothers nacheiferten. Angetrieben wurden die Brüder allerdings vor allem von ihrem tyrannischen und gewalttätigen Vater Murry, der später ihr Manager wurde.

Häufig spielen die Eltern bei der Gründung von Geschwisterbands eine entscheidende Rolle. So wurden etwa die Isley Brothers durch ihren Vater, der selbst Sänger war, ermutigt. Die Mutter spielte Klavier in der Kirche und begleitete die ersten Auftritte ihrer Söhne. Auch die Bee Gees wurden von ihrem Vater gefördert, der Schlagzeuger und Bandleader war, er sah in ihnen die nächsten Mills Brothers.

Instrumente lernen statt Fernsehen

Eine besonders schreckliche Verkörperung des ehrgeizigen Vaters war Joe Jackson, ein Arbeiter und erfolgloser Bluesmusiker, der fünf seiner neun Kinder dazu brachte, als Band aufzutreten.

Die Jackson 5 mit dem jungen Michael Jackson als Leadsänger stiegen in den Sechzigern zu Superstars auf, litten jedoch jahrelang unter den Schlägen und Beleidigungen des Vaters. Ganz besonders hatte er es auf Michael abgesehen, den er oft wegen der Größe seiner Nase aufzog.

Es gibt aber auch fröhlichere Beispiele. Etwa aus dem kalifornischen San Fernando Valley, wo Este, Danielle und Alana Haim aufwuchsen. Im Wohnzimmer stand das Schlagzeug ihres Vaters Mordechai.

Mit seinem Spiel hielt er die Mädchen vom Fernsehen ab, motivierte sie aber zusammen mit seiner ebenfalls musikalischen Frau Donna auch, selbst Instrumente zu lernen. So entstand die Coverband Rockinhaim, in der alle fünf Familienmitglieder mitspielten. 2007 machten die Schwestern alleine weiter – und die Eltern wurden ihre Roadies. Heute gehören Haim zu den spannendsten jungen US- amerikanischen Rockbands. Ihr Equipment schleppen jetzt Profis.

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