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"Scala" (1999), Installation von Werner Klotz in der Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum der Charité.

© Christiane Peitz/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Kolumne „Berliner Trüffel“, Folge 35: Mind your step

Treppensteigen mit Spiegelstreifen, in der Hörsaalruine des Medizinhistorischen Museums in der Charité: „Scala“ heißt die Installation des Künstlers Werner Klotz.

Eine Kolumne von Christiane Peitz

Was die Füße wohl denken, wenn sie sich im Spiegel sehen? Die Schuhe, wenn sie ihrem Konterfei beim Treppensteigen begegnen? Wer rechnet schon mit den schmalen Spiegelstreifen zwischen den Stufen, die der Hinaufschreitenden einen etwas anderen Treppengang bescheren und schon am Treppenabsatz den Anblick der Hörsaalruine des Medizinhistorischen Museums in der Charité durcheinanderbringen?

Die Backstein-Architektur am Charitéplatz auf dem Klinikgelände in Mitte, die  hohen Fenster, betonverschalten Decken, offenen Türbögen – an der Treppe wird der Saal zusätzlich fragmentiert, in Streifen geschnitten, zersprengt. Medizingeschichte im Spiegelkabinett.

„Scala“ heißt die diskrete, aber die Wahrnehmung irritierende – und erheiternde! – Spiegelarbeit von Werner Klotz. Seit 1999 befindet sie sich hier, seit einer Ausstellung des Installations- und Public-Art-Künstlers mit zahlreichen anderen Wahrnehmungsinstrumenten und interaktiven Objekten. In dem mit 250 Sitz- und 50 Stehplätzen samt repräsentativem Treppenaufgang ausgestatteten Saal hielt schon Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert seine Pathologie-Vorlesungen. Und in den Nachbarräumen konnten die Studierenden das theoretische Wissen an bereitgestellten Mikroskopen gleich praktisch anwenden.

Ich sehe was, was du nicht siehst – oder was ich bisher ganz anders betrachtet, vielleicht noch gar nicht registriert hatte: So beginnt Erkenntnis, nicht nur in der Medizin. Auch darauf macht die Spiegeltreppe aufmerksam. „Dem Leben auf der Spur“ heißt die Dauerausstellung des Medizinhistorischen Museums mit historischen Präparaten und Modellen, „Da ist etwas“ die aktuelle Wechselschau über den Krebs und die Emotionen, die er auslöst.

Da ist etwas, da war etwas. Der geschichtsträchtige Orte wurde im Zweiten Weltkrieg von Fliegerbomben zerstört. Der mit Bedacht als Provisorium restaurierte Saal kann heute im Rahmen des Museumsbesuchs erkundet und auch für Veranstaltungen gebucht werden. Achtung, nicht nur die Ruinen-Anmutung, sondern auch die Spiegelstreifen unterlaufen die Gewissheit eines in sich geschlossenen Raums. Mind your step, und geraten Sie ruhig mal aus dem Tritt!

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