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Die dritte Ausgabe der Art International in Istanbul im Halic Congress Center.

© Tolga Bozoglu/ epa

Art International Istanbul: Knochen und Wurzeln

Maßvoll politisch: Die Art International Istanbul lädt internationale Galerien ein. Dabei versuchen vor allem Berliner Galerien an die lokale Szene anzudocken.

Vom gegenüber liegenden Ufer des Goldenen Horns ruft der Muezzin unüberhörbar zur Gottesfurcht auf, während sich im Kongresszentrum die säkulare Elite Istanbuls zur Preview der Art International zum mittäglichen Glas Wein versammelt. Das ist zumindest der Plan des Veranstalters. Die Realität weicht davon nur geringfügig ab. Der Muezzin lässt sich zwar alle halbe Stunde vernehmen; die Messe scheint hingegen bei internationalen Besuchern beliebter zu sein als bei Einheimischen. Das liegt allerdings nicht nur an der Übermacht der lokalen Konkurrenz Contemporary Istanbul im November.

Vielmehr bringt die gerade eröffnete Istanbul Biennale Sammler, Kuratoren und Museumsgruppen in die Stadt. Und das ist Teil des Plans der Messeveranstalter, auch wenn der künstlerische Direktor der Art International, Stephane Ackermann, das so nicht formulieren möchte: „Die Biennale lädt Künstler ein, und die Messe lädt Galerien ein. Das sind zwei verschiedene Konzepte.“ Andererseits frage er sich schon, aus welchem Grund Biennalen so vehement auf einer strikten Trennung der beiden Sphären bestünden, sich ihre ihre Projekte jedoch großzügig von den Galerien der Künstler finanzieren lassen.

Zwischen Belanglosigkeit und bunter Abstraktion

Dass auch umgekehrt eine gewisse Unsicherheit herrscht, lässt sich am Angebot der 87 Aussteller ablesen. Waterside Contemporary aus London ist eine der wenigen Galerien, die mit dem Ukrainer Nikita Kadan einen Biennale-Teilnehmer präsentiert. Dessen filigrane Zeichnungen mit Hybriden aus Knochen und Wurzeln oder Porzellanteller mit piktogrammartigen Darstellungen von polizeilichen Foltermethoden gehören schon zum offensichtlich Politischsten, was an Kunst auf der Messe zu sehen ist.

Die Auswahl der Galeristen wirkt seltsam unentschieden und schwankt zwischen internationalen Belanglosigkeiten bei den Großgalerien wie Erstteilnehmerin Victoria Miro aus New York – und bunter Abstraktion, die an vielen Ständen zu sehen ist. Der Wiener Galerist Peter Lindner ist entsprechend erstaunt. Das Urgestein, was den Einsatz für minimalistische Kunst anbelangt, war im vergangenen Jahr als Besucher hier und ganz angetan. Diesmal steht er mit seiner strengen Ungegenständlichkeit ziemlich allein.

Bei kleineren Veranstaltungen warten die großen Entdeckungen

Berliner Galerien versuchen noch am aktivsten, an die lokale Szene anzudocken. Franziska Klotz hat aktuell ein sechsmonatiges Stipendium in Istanbul, weshalb die Galerie Kornfeld ihren ganzen Stand mit den abstrahierenden Arbeiten der Künstlerin bespielt. Dass die Galerie erneut teilnimmt, liege weniger an den Umsätzen auf der Messe von 2014, sondern an den Kontakten und dem Nachgeschäft, das sich daraus ergeben habe, erklärt Galeriedirektor Mamuka Bliadze. Zak Branicka sind zum ersten Mal dabei. Sie arbeiten für ein anderes Projekt mit der Kuratorin der Videosektion Basak Senova und dem Künstlerduo Hristina Ivanovska & Yane Calovski und nutzen die Gelegenheit für eine Einzelpräsentation. Ohnehin seien die großen Messen nicht länger interessant für die Galerie, erklärt Asia Zak, da sich deren Angebot überall gleiche. Viele Sammler hätten das inzwischen bemerkt und besuchten eher kleinere Veranstaltungen, um Entdeckungen zu machen.

Ungewöhnlich ist der Auftritt von Wienerroither & Kohlbacher. Die Wiener treten international vor allem als Händler hochkarätiger klassischer Moderne in Erscheinung, sind jedoch gleichzeitig die Hauptgalerie von Eduard Angeli. Der Österreicher lebte von 1965 bis 1971 mit seiner damaligen türkischen Frau in Istanbul, weshalb die Galerie hier mit seinen strengen Stadtansichten antritt. Dieses Genre spielt ansonsten kaum eine Rolle auf der Messe, auch nicht mehr bei den zwölf einheimischen Galerien, darunter alle international bekannten. Ebenso stark ist das spanische Kontingent, dank einer Förderung der katalanischen Regionalregierung. Ihr Auftritt muss allerdings als recht schwach gelten – die wichtigen Standesvertreter sind nicht dabei. So bleibt das Bild der Art International reichlich disparat, wenn auch auf deutlich höherem Niveau als die Konkurrenz Contemporary Istanbul.

Art International, Istanbul, bis 6.9., www.artinternational-istanbul.com

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