zum Hauptinhalt
Dirigent Klaus Mäkelä in der Berliner Philharmonie mit den Berliner Philharmonikern.

© Stephan Rabold

Klaus Mäkelä debütiert bei den Berliner Philharmonikern: Nimm’s leicht

Es ist das Dirigenten-Debüt des Jahres: Erstmals treffen die Berliner Philharmoniker auf den finnischen Shootingstar Klaus Mäkelä. Der Abend entwickelt sich überraschend.

Ein Auftakt im Fortissimo: Der prasselnde Applaus im ausverkauften Saal macht sofort klar, dass hier ein Künstler die Bühne betritt, auf den die Leute gewartet haben. Einmal war Klaus Mäkelä schon in Berlin zu erleben, im vergangenen Herbst, zusammen mit dem Amsterdamer Concertgebouworkest. Die Holländer haben dem Finnen eine zehnjährige Zusammenarbeit angetragen - zunächst fünf Jahre als „musikalischer Partner“, dann als Chefdirigent. Denn der 27-Jährige ist bereits in zwei anderen Städten künstlerischer Leiter, beim Oslo Philharmonic sowie beim Orchestre de Paris.

Und nun debütiert der Shootingstar bei den Berliner Philharmonikern, mit einem Programm, das ganz auf seine Person fokussiert ist. Da gibt es weder ein Instrumentalkonzert noch ein zeitgenössisches Häppchen, da stehen nur zwei wuchtige Sinfonien nebeneinander, ernste Werke aus dem russischen Repertoire, beide in der Tonart h-Moll.

Die Musik erhält ein inneres Leuchten

Eindringlich klingt die Sechste von Schostakowitsch bei Klaus Mäkelä ab dem ersten Takt des eröffnenden Largo, packend, intensiv – aber überhaupt nicht schroff oder düster. Da wird kein Einblick in die geschundene Seele des Komponisten gewährt, der unter den Repressalien des Sowjetstaates leidet, da schwingt nichts Biografisches mit.

Alle Grautöne sind herausgefiltert, die Musik entwickelt eine überraschende Sanglichkeit, ein inneres Leuchten, weckt Naturassoziationen. Die Schönheit des beseelten Tons, scheint Klaus Mäkelä sagen zu wollen, kann durch kein Regime der Welt ausgelöscht werden: Denn die Gedanken, sie bleiben frei.

Tschaikowskys „Pathétique“ als Tanzmusik

Anschließend zelebriert der Finne die beiden schnellen Sätze mit schelmischem Spaß am Grotesken, reizt sie aus bis ins Filmmusikhafte - und entfaltet zugleich mit den rückhaltlos engagierten Philharmonikern eine umwerfende Klangsinnlichkeit.

Verblüffend ist nach der Pause dann auch Mäkeläs Zugriff auf Tschaikowskys „Pathétique“: Denn sie klingt bei ihm wie Ballettmusik, graziös, agil, duftig. Da liegt nicht ein Schatten von Melancholie über der Partitur, das Hauptthema des Kopfsatzes schwebt herein wie eine Primaballerina.

Provokant ist diese Lesart, diametral zu der erschütternden Interpretation, mit der Kirill Petrenko 2017 seinen Einstand als Philharmoniker-Chefdirigent gegeben hat. Aber eben auch auf angenehme Weise unbeschwert. Leicht also.

Selbst nach dem überirdisch schönen Klarinettensolo von Wenzel Fuchs folgt keine emotionale Implosion, das Drama bleibt tänzerisch, eine virtuos dargestellte Schlachtenszene auf der imaginären Guckkasten-Bühne, inklusive Sonnenaufgangs-Apotheose.

Grandios virtuos agieren die Philharmoniker in den quirligen Mittelsätzen, elegantissimo. Und Mäkelä schafft das Kunststück, dass nach dem knalligen Ende des „Allegro molto vivace“ mal kein spontaner Applaus losbricht. So kann ihm ein akustischer Zoom gelingen bei diesem unsichtbaren Klangtheater, von der kunterbunten Massenszene hin zum pas de deux, der sich auf leerer, dunkler Szene leidenschaftlich entwickelt, ein Liebesfinale im einsamen Lichtkegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false