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Das Sichtbare.

© Mike Wolff

Klaus Märtens Galerie Taube: Feste Flugbahn

Die Berliner Galerie Taube von Klaus Märtens feiert 40. Geburtstag.

Ein akribisches Blumenstillleben ragt auf vor weiter Landschaft. Rosen und Margeriten in einer Vase. Darunter ein possierlicher Löwe. Die Miniaturausgabe des Königs der Tiere scheint weniger ihre Beute zu verstecken – von der ohnehin nur die prallrote Blutlache übrig ist –, als vielmehr sich selbst. Denn wie im Sturzflug naht aus finsterem Himmel eine Taube.

„Die Bedrohung“ hat Adelchi-Riccardo Mantovani das kleine Ölgemälde (6400 Euro) genannt. Eine symbolträchtige Szene und eine Parabel auf Klaus Märtens, den – wenn nicht gleich heiligen, so doch – guten Geist der Realisten. Vor 40 Jahren eröffnete Märtens die Galerie Taube im Zeichen „des traditionsbewahrenden Vogels“, wie er im Katalogheft zur Retrospektive schreibt. Schon das Ambiente der Galerie nimmt sich wie eine Manifestation gegen den White Cube aus. Das muntere Nebeneinander von Kunst und Memorabilien, von Bildern wie der 1905 von Walter Zuchors gemalten „Kokette“ bis zu aktuellen Miniaturen von Wladimir Krawtschenko entfaltet eine persönliche Rückschau und ist zugleich eine Zeitreise zur Westberliner Bohème der Siebziger.

Wie aus einer anderen Epoche muten Alf Trenks Schwarzweißfotografien (180-380 Euro) an: Friedrich Schröder-Sonnenstern als predigende Legende, Institutionen wie das Künstlerlokal Leierkasten von Kurt Mühlenhaupt. Der 2006 verstorbene Mitbegründer der Berliner Malerpoeten ist mit einer frühen, stilistisch untypischen „Malerei“ (3600 Euro) präsent. Direkt über dem Leierkasten, erzählt Märtens, der den illustren Bilderbogen mit allerlei Anekdoten anreichern kann, hat Rudi Lesser gewohnt. Ein heute fast vergessener Zeichner und Grafiker, dem er die Treue hält. Dem 1988 verstorbenen Berliner verdankte Märtens auch den Kontakt zu Lotte Jacobi und widmete der Grande Dame der Porträtfotografie 1979 die erste Einzelausstellung in Berlin. Fotografen wie Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch folgten im Programm.

Zu den Malern der ersten Stunde gehören Edwin Dickman und Eberhard Franke. Studienkollegen aus Märtens eigenen Anfängen als Künstler. Abstrakt hat er gemalt. Doch der Lehrer Gerhard Fietz, Mitbegründer der Künstlergruppe ZEN 49,, befand selbst zwei Kreise als zu gegenständlich. Fotografierend umging Märtens „die Realismusfrage“. Der hatten sich Dickman sowie der 2004 verstorbene Franke unbeirrt gestellt. Bereits 1964 organisierte Märtens den Freunden eine Ausstellung in der überhaupt ersten Produzentengalerie Großgörschen 35, trat später als künstlerischer Berater dem Berlin Art Circle bei, aus dem die Galerie Taube hervorging. Conrad Felixmüller wurde hier kurz vor seinem Tod mit Spätwerken vorgestellt, Maler wie der 1938 verstorbene Otto Schoff und seine idyllisch-neusachlichen Landschaften dem Vergessen entrissen. Und über allem schwebt das hauseigene Wappentier. In Form von Nippes und Kleinplastiken, als „Musenvogel" auf einer Kaltnadelradierung von Oskar Huth (600 Euro), als Attribut auf diversen Galeristenporträts oder auf einem Bild des Schweizers Rudolf Stüssi (2400 Euro). Dessen Stadtvedute gibt das Jubiläumsmotto vor: „Die Taube fliegt“. Michaela Nolte

Galerie Taube, Pariser Str. 54; bis 31.8., Di–Fr 16–19 Uhr, Sa 11–14 Uhr.

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