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Nachruf: Liz Taylor: Sie war der Luxus

Sie galt als schönste Frau der Welt. Sinnlich, verwöhnt und mit sich selbst zufrieden, wenn da nicht die komplizierten Männer wären. Mit der sexuellen Revolution verblasste ihr Glanz. Zum Tod von Liz Taylor, der letzten großen Hollywood-Diva.

Sie hatte Biss, ihre Stimme war die schneidigste von ganz Hollywood. Wenn Elizabeth Taylor in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, dem Ehehöllenfilm aus dem Jahr 1966, als frustrierte Professorengattin mit ihrem von Richard Burton gespielten Ehemann abrechnet, dann schleudert sie ihm jedes einzelne Wort wie einen Brandsatz entgegen: „DU hast keinen MUMM, du bist ein VERSAGER, gib es doch ENDLICH zu!“ Und als Burton, ein bebrilltes, vor Wut bebendes Männlein in Strickweste, dann eine Schnapsflasche zertrümmert, höhnt sie noch: „Ich hoffe, das war eine leere Flasche. DU kannst es dir mit deinem MICKRIGEN Gehalt doch gar nicht leisten, kostbaren Schnaps zu VERSCHWENDEN!“

Die Szene ist auch deshalb so stark, weil da ein echtes Ehepaar agiert, in dessen Beziehung die Fetzen ähnlich geflogen sein müssen. Die Hollywood-Diva und der Shakespeare-Schauspieler hatten 1964 geheiratet, für Taylor war es die fünfte von insgesamt acht Ehen. Taylor und Burton sollten sich 1974 scheiden lassen, um im Oktober 1975 noch einmal vor den Standesbeamten zu treten und es dann bis zur erneuten Scheidung im Juli 1976 ein knappes Jahr miteinander auszuhalten. Eine Soap Opera, wie geschaffen für die Klatschzeitschriften. Aber auch eine große, leidenschaftliche Liebe. Wenn Burton nicht 1984 gestorben wäre, hätten sie, so versicherte Taylor noch 2006 in einem Fernsehinterview, „ganz sicher“ noch ein drittes Mal geheiratet.

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, für den sie ihren zweiten Oscar bekam, war der Lieblingsfilm der Schauspielerin. Vor der Kamera gingen Taylor und Burton mit der Brachialität eines entfesselten Method Acting aufeinander los, dann, so erzählte Taylor, „fuhren wir nach Hause, aßen mit den Kindern, spielten noch ein wenig mit ihnen, lernten unsere Dialogzeilen für den nächsten Tag und gingen zu Bett“.

Als der Schriftsteller Paul Theroux 1999 Liz Taylor besuchte, um sie für die Zeitschrift „Talk“ zu porträtieren, war er von der durchdringenden Kraft ihrer Stimme beeindruckt. Die Schauspielerin lud ihn ein, mit ihr im Hubschrauber die Neverland-Ranch ihres Freundes Michael Jackson zu besuchen. „Hack-hack- hack“ machten die Rotoren, doch Taylors Organ war lauter.

Liz Taylor und Michael Jackson waren miteinander befreundet, seit der Sänger der von ihm verehrten Schauspielerin Anfang der achtziger Jahre Konzertkarten für seine „Bad“-Tournee geschickt hatte. „Wir versuchen der Realität zu entfliehen und einen Traum zu leben“, sagte er über seine Seelenverwandte. Sie trafen sich zu Picknicks, sie schenkte ihm einen Elefanten namens „Gypsy“ und verteidigte den Sänger vehement gegen alle Kindesmissbrauchs-Vorwürfe.

Taylor verstand Jackson besser als viele Normalmenschen, denn auch sie hatte ihre Karriere früh begonnen und dabei ihre Kindheit verloren. 1932 als Tochter amerikanischer Eltern in London geboren und nach Kriegsbeginn in Kalifornien aufgewachsen, stand Taylor zum ersten Mal mit zehn Jahren vor der Kamera. Der Erfolg von „Heimweh“, einem „Lassie“-Film in Technicolor, verschaffte ihr einen Siebenjahresvertrag mit dem mächtigen MGM-Studio.

Schon bald galt sie als eine der schönsten Frauen der Welt, die ihren Durchbruch unter anderem einem weißen Unterrock verdankte. Wobei, Unterrock, das klingt zu bieder. Aber Nachthemd trifft es auch nicht. Das Seidenkleid, das Liz Taylor in „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ 1958 trug, brachte ihre runden Hüften zur Geltung, sie wirkte angezogen und ausgezogen zugleich. Aber das war nur äußerlich der Grund des Erfolgs. Selbst wenn Liz Taylor ihren Körper in Haute-Couture-Kleidern versteckte, ging von der Kostümierung die Botschaft aus: Eine Garderobe hat diese Frau nicht nötig. Der Luxus war sie selbst – ihr Gesicht, ihr Körper.

Hatte sie einen forschen Gang? Statt zu laufen, saß sie an der Hotelbar oder auf einem Ledersofa. In fast all ihren Filmen kommt sie aus einem reichen Elternhaus oder hat einen reichen Ehemann. Alles ist ihr geschenkt worden, ihre Welt war das Schlafzimmer. Das unterscheidet Taylor von Stars wie Joan Crawford oder Lana Turner, die ihr Publikum nie vergessen ließen, dass sie für ihre Diamanten hart arbeiten mussten. In „... die alles begehren“ von 1965 verdient sie ihr Geld zwar selbst, aber nach Arbeit sieht das nicht aus. Sie malt ab und zu ein Ölbild, davon finanziert sie ein Strandhaus an der Pazifikküste und einen Privatlehrer für ihren Sohn.

Es hätte ihr eigentlich gut gehen müssen, wenn da nicht all die komplizierten Männer wären. Elizabeth Taylor hatte in ihren Filmen keinen Traumpartner. Während Marilyn Monroe auffallend oft mit komischen, infantilen Männern gesehen wurde, fand sich Taylor an der Seite schwieriger, neurotischer Darsteller, die sie vernachlässigten und verstießen. Das brachte ihr vier Oscar-Nominierungen in Folge ein. Als schwermütige Südstaatenschönheit in „Land des Regenbogens“ endet sie im Moor. In „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ kämpft sie verzweifelt um die Aufmerksamkeit ihres alkoholabhängigen, bisexuellen Ehemannes. In „Plötzlich im letzten Sommer“ wird sie von einem pädophilen Cousin als Köder benutzt und muss sich, um die spanischen Jungen anzulocken, in einen fast durchsichtigen Badeanzug zwängen. Am Ende von „Telefon Butterfield 8“ rast sie mit ihrem Wagen in den Tod, nachdem sie in einem tränenreichen Monolog erklärt hat, wie sie zur Nymphomanin geworden ist. Sie hasst es, begehrt zu werden und Pelze geschenkt zu bekommen, aber der Trieb ist stärker.

Diesen Film verachtete sie zeitlebens, obwohl sie 1960 ihren ersten Oscar dafür bekommen hatte. Der Award war zugleich eine Versöhnungsgeste. Hollywood verzieh seiner schamlosesten Sünderin. Im März 1958, als ihr dritter Ehemann Mike Todd mit dem Flugzeug abgestürzt war, wurde Elizabeth Taylor von ihrer Kollegin Debbie Reynolds getröstet – und tröstete sich ihrerseits mit deren Ehemann, dem Sänger Eddie Fisher. Das kam nicht gut an. Das puritanische Amerika schäumte, denn Debbie Reynolds war der Inbegriff des süßen blonden College-Mädchens. Taylor stand da als Frau, die begehrt wird und sich nimmt, was sie will.

Was dann geschah, hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können. Elizabeth Taylor erkrankte im März 1961 schwer, die ersten Nachrufe wurden verfasst, und Joan Collins wurde gebeten, sich als Ersatz für die Rolle der Cleopatra bereit zu halten. Ein Luftröhrenschnitt rettete Taylor das Leben – und den Ruf. Dabei trat sie keineswegs demütiger auf. Ganz im Gegenteil. Sie verließ Eddie Fisher wegen Richard Burton, der den Marcus Antonius verkörperte und noch verheiratet war. „Cleopatra“ wollte nicht fertig werden, die Kosten stiegen ständig, während Liz und „Dick“ ungeniert in aller Öffentlichkeit turtelten. Branchenblätter witterten den Untergang Hollywoods. Wie mächtig Taylor damals war, zeigte sich, als sie zum Sündenbock gemacht wurde und nicht die unfähigen Produzenten. Eine Million Dollar als Gage, das hatte es bis dahin noch nie gegeben. 20th-Century-Fox war pleite, verkaufte einen Teil des Studiogeländes an einen Investor, der Bürotürme baute. Keiner anderen Schauspielerin ist das gelungen: die Skyline von L.A. zu verändern.

Aber Elizabeth Taylor blieb ein Kassenmagnet, bis 1966. Nach dem Triumph mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ging es mit ihrer Filmkarriere bergab. Im Zuge der sexuellen Revolution, die sie selbst mit eingeleitet hatte, wirkte Taylor auf einmal antiquiert. Die Frauen wollten nicht mehr schön sein und unglücklich. Sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Und Diamanten galten plötzlich als obszön.

Man hätte die Schauspielerin wieder entdecken müssen. Ein paar Versuche hat es gegeben. Zuletzt 2001, als sie in der Komödie „These Old Broads“ mit ihren Wegbegleiterinnen Shirley MacLaine, Debbie Reynolds und Joan Collins zusammengespannt wurde. Aber Taylor brauchte keine Filme mehr. Sie war eine Legende. Und jeder neuerliche Gang zum Standesamt und jeder Aufenthalt in der Betty-Ford-Klinik, um ihre Alkoholprobleme in den Griff zu bekommen, bezeugten das.

Immer mehr bewegte sie die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren mit ihrer Krankengeschichte. Mal musste ein Gehirntumor entfernt werden, dann drohte Herzversagen. Sie wurde einsam, der Tod von Freunden wie Rod Steiger stürzte sie in Depressionen. Nun ist Elizabeth Taylor am Mittwoch in Los Angeles an den Folgen ihrer Krebserkrankung gestorben. Sie wurde 79 Jahre alt.

Als sie ihren 19. Geburtstag feierte, hatte sie bereits ihre erste Scheidung hinter sich. Sie lebte im Schnelldurchlauf. Damit ist sie sehr alt geworden.

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