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Wenn der Sekt in Strömen fließt, ist Silvester - oder eine Betriebsfeier.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Kolumne Feste feiern (3): Keine Betriebsfeier ist auch keine Alternative

So viel Feiertage in so kurzer Zeit gibt’s nur einmal im Jahr. Ein guter Anlass, das Feiern in all seinen Varianten einmal selbst abzufeiern.

So kommt’s, wenn die Bilder der Popkultur das Leben bestimmen. In den Kaufhauskellern lagern zwischen den Jahren die Stapel unverkaufter Pullis mit Weihnachtsmotiven, nur weil Schauspieler in Jahresendzeitkomödien und Fußballer mit Geschmacksverirrung lustige Schneemänner und Elche auf der wolligen Brust tragen. Und Menschen, die an frühkindlichen Fernsehnachmittagen von Billy-Wilder-Komödien sozialisiert wurden, hoffen alle Jahre wieder auf ein richtig rauschendes Betriebsfest.

So wie in „Das Appartement“ (1960), in dem Jack Lemmon als Angestellter einer 31259 Mitarbeiter zählenden New Yorker Versicherungsgesellschaft seiner Flamme, der von Shirley MacLaine gespielten Fahrstuhlführerin, schüchtern lächelnd einen Punsch bringt, während hinter ihnen Pumps auf den Schreibtischen tanzen und Krawatten auf halb Acht hängen. Seither ist die aus dem Ruder laufende Weihnachtsparty im Großraumbüro ein beliebtes Filmmotiv. Vor zwei Jahren spielte Jennifer Aniston in „Office Christmas Party“ mit – einer betont schrillen Variation des Themas, in der am Ende gleich mehrere Etagen einer Chicagoer IT-Firma in Schutt und Asche sinken.

Feiern bringen Kontakte, Posten, Babys hervor

Das Kino zeichnet die Betriebsfeier stets als anarchisches Bacchanal, als Ausnahmetag, an dem die Flurfunken nur so stieben und sich aus der uniformen Angestelltenmasse plötzlich Individuen mit Sehnsüchten und Träumen schälen. Ein Überhöhungseffekt, der mit der gesitteten Wirklichkeit der meisten Weihnachtsfeiern wenig zu tun hat. Oder wie lief Ihre? Im Film schleift das direkt am Arbeitsplatz gefeierte Fest die Hierarchien oder offenbart deren tönerne Grundlagen, lässt die Würfel neu fallen und verändert – eher unfreiwillig – die Unternehmenskultur. Oder es wirkt als systemerhaltende Triebabfuhr, die den übers Jahr aufgestauten Unmut in Alkohol ertränkt. Das immerhin soll auch bei realen Betriebsfesten zu beobachten sein, was gewiss kein Argument dagegen ist.

So unausweichlich wie das vor- und nachfestliche Gequengel über öde Ansprachen, Kollegen, Essen, Musik, Getränke (Zutreffendes bitte unterstreichen) auch sein mag – keine Weihnachtsfeier, kein Sommerfest, kein Firmenjubiläum ist auch keine Alternative. Schließlich bringen Feiern unter Kolleginnen und Kollegen außer einem Kater und Klatsch auch Kontakte, neue Posten, ja manchmal sogar Babys hervor.

In areligiösen, gesellschaftlich separierten Zeiten, in denen verbindliche Rituale wie Fronleichnamsprozession oder Feuerwehrball schwinden, kann die Betriebsfeier als alle Stände und Geschlechter verbindende Kultveranstaltung durchgehen. Wenn, prost Neujahr!, beim nächsten Mal endlich die Benimmregeln fallen.

Bisher erschienen: der Feiertag (24.12.), der Feierabend (27.12.)

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