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Verstummt. Bill Withers zog sich 1985 aus der Musikbranche zurück.

© dpa

Soulstar Bill Withers wird 80: Kater mit Samtstimme

Hits wie "Ain't No Sunshine" machten Bill Withers zum Soulstar. Dann trat er von der Bühne ab. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag.

Von Andreas Busche

Bill Withers hatte eine besondere Art, mit Worten umzugehen. Auf dem Papier sowieso. Seine Liebeslieder – an Verflossene, ans Leben, die Freundschaft – kleidete er in eine einfache, unmittelbar zu Herzen gehende Sprache, ohne verschnörkelte Poesie oder die Gefühle zu verkleistern. Bill Withers’ Songs öffnen die Synapsen. Doch wie er die Worte formte, sie dehnte, zerfließen ließ, bis sie sich in einer Melodie auflösten: Sein größter Hit „Ain’t No Sunshine“ von 1971 wird in der Bridge nur von den Worten „I know“ getragen, die Withers so oft wiederholt, bis sie ein melodisches Eigenleben entwickeln. Ähnlich kunstvoll liebkost er in „Lovely Day“ das Wörtchen „Day“, bringt es zum Klingen, zum Atmen.

Man ertappt sich unwillkürlich dabei, von Bill Withers, der am 4. Juli seinen 80. Geburtstag feiert, schon in der Vergangenheitsform zu sprechen. Denn es ist tatsächlich über dreißig Jahre her, dass er sich von der Musik verabschiedete und Privatier wurde. Manchmal gewährt er noch freundlich-kratzbürstig Einblick in sein Privatleben, etwa in der BBC-Dokumentation „Still Bill“, benannt nach seinem zweiten Album von 1972.

Aber singen will er schon lange nicht mehr, auch nicht anlässlich seiner Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall of Fame 2015, einem seiner letzten öffentlichen Auftritte, mit dem er die Herzen aller Anwesenden eroberte. Withers dankt seinem Freund und Laudator Stevie Wonder („Dass Stevie mich in die Hall of Fame einführt, ist, als würde ein Löwe einem Kätzchen die Tür aufhalten“), schäkert mit Miley Cyrus und beweist seine Qualitäten als Stand-up-Comedian, was wieder an sein legendäres Konzert in der Carnegie Hall 1973 erinnert. Vielleicht das schönste, ergreifendste Live-Album in der Soul-Geschichte. Sorry, Otis Redding, James Brown und Sly Stone!

Grammy für eine B-Seite

Diese Einfachheit ist dem Sohn eines Minenarbeiters aus einem Kaff in West Virginia gewissermaßen in die Wiege gelegt. Er kommt erst mit über 30 zur Musik, nachdem er neun Jahre in der Navy gedient hat. Während er Mitte der Sechziger in Los Angeles als Flugzeugmechaniker arbeitet, kauft er sich eine Gitarre, schreibt ein paar Songs, blitzt bei Dutzenden von Labels ab. Erst Sussex-Chef Clarence Avant erkennt sein Talent, steckt ihn ins Studio mit dem großen Booker T. „Ain’t No Sunshine“, damals als B-Seite veröffentlicht, beschert ihm den ersten von zwei Grammys.

Withers ist kein Crooner vom Schlag Isaac Hayes’ oder bürgerrechtsbewegt wie Marvin Gaye, er bleibt immer „der schwarze Junge auf einem Stuhl, mit seiner Gitarre“ (Withers über sich). Er ärgert sich maßlos, als die Labelbosse ihn zu Beginn seiner Karriere in einen Lamé-Anzug stecken wollen. Der Rassismus in der Musikbranche ist auch ausschlaggebend dafür, dass er 1985 frustriert das Handtuch hinwirft: „Kiss my Ass!“

Amerikas Jedermann

Insgesamt acht Jahre währte seine Karriere, erzählt Withers später: von „Ain’t No Sunshine“ bis „Just The Two of Us“ von 1980. Aber seine Songs haben Generationen beeinflusst, sie mussten nie wiederentdeckt werden, waren immer da, zogen ihre Spuren bis in die Werbung. „Er ist so etwas wie unser Bruce Springsteen“, sagt Questlove, Drummer der Hip-Hop- Band The Roots, über ihn. Bill Withers muss sich nicht verstellen, um nicht erkannt zu werden. Er spielt einfach sich selbst, um anonym zu bleiben. Einmal, erzählte er kürzlich, sang er in einem Diner für eine Gruppe älterer Damen spontan einen seiner Hits, sie hielten ihn für einen mediokren Bill-Withers-Imitator. Amerikas Jedermann.

Heute lebt Bill Withers mit seiner zweiten Frau Marcia, mit der er über 40 Jahre verheiratet ist, zurückgezogen in den Hollywood Hills und verfolgt auf seinem iPad die Weltpolitik, während auf dem Fernseher lautlos CNN läuft. Der Sound Amerikas ist gerade zu hässlich für den Mann, der so herzzerreißend von der Liebe sang. Dabei feiert Bill Withers am Unabhängigkeitstag Geburtstag. Amerikanischer geht’s nicht.

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