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Die Neusseländerin Jane Campion gewann 1994 für „Das Piano“ den Drehbuch-Oscar.

© dpa

Oscar-Nominierungen 2022: Jane Campion geht als Favoritin ins Rennen

Die Mitgliederreform der Oscar-Academy zeigt Wirkung. Zum zweiten Mal hintereinander könnte eine Regisseurin gewinnen.

Von Andreas Busche

Abergläubische Menschen könnten die diesjährigen Oscar-Nominierungen möglicherweise als Omen verstehen. Die 9487 Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die Ende März zum 94. Mal die Oscars verleihen, haben mit ihrer Auswahl einen unerwarteten Favoriten ins Rennen geschickt. Es ist aber weder die neuseeländische Regisseurin Jane Campion, deren Spätwestern „The Power of the Dog“ zwölf Mal nominiert wurde, oder Denis Villeneuve und sein Science-Fiction-Epos „Dune“ mit zehn Nominierungen.

Heimlich, still und leise hat sich der japanische Regisseur Ryûsuke Hamaguchi in das Kandidatenfeld geschummelt, der mit seiner Murakami-Adaption „Drive My Car“ zwar nur in vier Kategorien vertreten ist – doch der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho hatte vor zwei Jahren mit „Parasite“ auch nur zwei Nominierungen mehr und stach später bei der Auszeichnungen für die Regie und den besten Film Favoriten wie Martin Scorsese, Quentin Tarantino, Sam Mendes und Greta Gerwig aus.

Hamaguchi, der in Cannes eine Palme für das Drehbuch gewann, avancierte in den vergangenen Monaten zum Liebling der US-Kritik. Dass „Drive Me No“ nun als bester Film und als bester internationaler Film nominiert ist, lässt zumindest eine Dublette nicht ganz ausgeschlossen erscheinen. Bong war der erste Regisseur, dem dies gelungen war.

Sicher lässt sich sagen, dass die Reform der Mitgliederstruktur innerhalb der Academy nach einer „Time’s Up“- und einer #OscarsSoWhite-Initiative seit drei Jahren zu inspirierten Nominierungslisten führt; zu keiner Revolution zwar, aber doch zu einer langsamen Verstetigung des Umdenkens. Zwölf Nominierungen für Jane Campion! Selbst Kathryn Bigelow brachte es 2009 mit „The Hurt Locker“ nur auf neun. Die Chancen stehen gut, dass zum zweiten Mal hintereinander eine Regisseurin ausgezeichnet wird – und ihr Film. „The Power of the Dog“ steht auch mit seiner Ästhetik für klassisches Hollywoodkino – eine Ironie darum, dass der Film von Netflix produziert wurde.

Auch Denis Villeneuves „Dune“ evoziert eine Idee von großem Kino, der Kanadier ist einer der wenigen Blockbuster-Regisseure, der in einem Arthouse-Feld realistische Chancen auf den Oscar hat. Mit Steven Spielbergs Retro-Remake „West Side Story“, Kenneth Branagh und seiner Kindheitserinnerung „Belfast“ sowie Paul Thomas Andersons „Licorice Pizza“ stehen weitere Regiegrößen unter den Nominierten, die da auch vor zehn oder 15 Jahren hätten stehen können. Man hat das Kinojahr etwas aufregender in Erinnerung, als sich das an den Oscars dieses Jahr vermutlich ablesen wird.

Man muss die kleinen Glanzpunkte beachten, um zu einem fairen Gesamturteil zu kommen: Kristen Stewart gilt mit ihrer Darstellung von Lady Di in „Spencer“ sicher als Topfavoritin, Maggie Gyllenhaal ist für ihre formidable Drehbuchadaption von „Frau im Dunkeln“ nominiert, ebenso ihre Darstellerinnen Jessie Buckley und Olivia Colman. Und mit Will Smith und Denzel Washington haben es auch zwei schwarze Hauptdarsteller auf die Shortlist geschafft. Das Gießkannenprinzip hat zumindest in der Vorschlussrunde funktioniert. Ins Finale am 27. März schaffte es mit dem Komponisten Hans Zimmer („Dune“) nur ein deutscher Nominierter. Dann wird sich auch zeigen, ob Netflix endgültig in Hollywood angekommen ist.

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