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Ivan Fischer war von 2012 bis 2018 Chefdirigent des Konzerthausorchesters

© Marco Borggreve

Ivan Fischer beim Konzerthausorchester: In alter Freundschaft

Ehrendirigent Ivan Fischer und das Konzerthausorchester begeistern mit Werken von Strawinsky, Ligeti und Beethoven am Gendarmenmarkt.

Von Tye Maurice Thomas

Als Metapher für gesellschaftliches Zusammenleben ist ein Kartenspiel nicht die schlechteste Wahl. Hier wie dort wird taktiert, geblufft, gezockt, und so mancher Erfolg hängt von den Karten ab, die man zugeteilt bekommt. So zumindest scheint es Igor Strawinsky gesehen zu haben, dessen Ballettsuite „Jeu de Cartes“ am Freitag im Konzerthaus zu hören ist.

Sämtliche Charaktere des Balletts sind Spielkarten, die etwa halbstündige Handlung ist, statt in Akte, in „Runden“ gegliedert. Hierzu schuf der leidenschaftliche Pokerspieler Strawinsky eine verspielte, neoklassizistische Musik, die vor Zitaten strotzt, dabei aber unverwechselbar bleibt. Das Konzerthausorchester lässt das rhythmisch vertrackte Werk mit sichtlicher, schmunzelnder Spielfreude erklingen.

Dies liegt sicher auch am wunderbar entspannten Dirigat Ivan Fischers, der hier bei seinem alten Orchester zu Gast ist. Seinem nonchalant lässigen Schlag, manchmal nur ein Flattern der Handgelenke, merkt man die tiefe Vertrautheit mit den Musiker:innen an. Das Ballett hätte man gern szenisch gesehen und erlebt, wie der hinterlistige „Joker“ von einem „Royal Flush“ besiegt wird!

Tiefe Vertrautheit mit dem Orchester

Die „moderne Musik“ ist generell nicht als Publikumsmagnet bekannt. Wie sehr sie mitzureissen vermag, ist bei den nun folgenden „Mysteries of the Macabre“ für Koloratursopran und Orchester von György Ligeti zu erleben. Die drei Arien des Chefs der „Geheimen Politischen Polizei“ aus der absurd-satirischen Oper „Le Grand Macabre“ (1974-77) sind weniger klassische Opernarien als Körperperformance, in der stimmlich und darstellerisch nichts wie gewohnt ist.

Die Sopranistin (bravourös: Anna-Lena Elbert) huscht barfuß auf die Bühne und herrscht mit rhythmischem „Pssst-Pssst!“ das Orchester an, bevor sie in halsbrecherische Koloraturen ausbricht oder deklamatorisch zur „Dis-kre-ti-on!“ mahnt. Das Orchester antwortet, zusätzlich zu seinen schweren Soli, mit dem lautstarken Zerknüllen von Zeitungspapier.

Auch Ehrendirigent Fischer erhält sein Solo: Nachdem auch er einige „Pssst“ abbekommen hat, fragt er ins Publikum: „Soll ich auch die Schuhe ausziehen?“ Schließlich endet das Werk mit Elberts Sprechgesang: „Was ich noch sagen wollt’: Schweigen ist Gold“ und einem „Furz“ der Tuba und erntet donnernden Beifall und grosses Gelächter.

Wer nach der Pause mit Beethovens „Eroica“ einen in Ehren ergrauten Klassiker erwartet hat, wird angenehm enttäuscht: Unter Fischers - plötzlich unter Strom gesetztem - Dirigat gelingt es dem Konzerthausorchester meisterhaft, sie energetisch und neu klingen zu lassen, wie damals 1804, als sie die symphonische Form neu definierte.

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