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Neunziger-Legenden. Sänger Karl Hyde (links) und Keyboarder Rick Smith sind Underworld.

© Rob Baker Ashton

Interview mit Karl Hyde von Underworld: „Unberechenbar bleiben“

Das britische Electro-Duo Underworld wollte eigentlich im März in Berlin auftreten. Das wurde nichts - dafür spricht Sänger Karl Hyde hier über die CD-Box „Drift“, Jazz und Motorsport.

Herr Hyde, wessen Idee war es eigentlich, einmal wöchentlich einen Song und ein Video zu veröffentlichen?
Das war Ricks Konzept. Er hat als Erster verstanden, dass wir uns in einer Sackgasse befanden. Dass wir jahrzehntelang Routinen eingeübt hatten und dabei die Leidenschaft auf der Strecke geblieben war. Dieses Projekt hat die Lebensgeister in uns geweckt.

Wir müssen jetzt sehr eng miteinander arbeiten. Wir sehen uns fast jeden Tag, entweder um Musik zu machen oder Dinge zu organisieren und zu diskutieren. So sind wir uns auch menschlich wieder nähergekommen. Wir haben noch mal lernen müssen, einander zuzuhören und aufeinander einzugehen.

Wie hat denn vor dem Drift-Projekt die Zusammenarbeit zuletzt ausgesehen?
Lange Zeit ist es Ricks Job gewesen, aus dem wenigen, was ich beigetragen habe, Tracks zu produzieren. Ich war eigentlich die meiste Zeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt, habe mit anderen Künstlern gearbeitet, zum Beispiel mit Brian Eno oder Matthew Herbert.

Oder ich habe Ausstellungen gemacht. Dinge, von denen ich dachte, die lassen sich nicht unter dem Namen Underworld umsetzen. Rick tickt ganz anders. Er ist ein großartiger Produzent und auch eine Art Regisseur und Leiter, der sich Underworld grundsätzlich als sehr wandelbares Projekt vorstellen kann.

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Aber warum haben Sie das anders gesehen? Der Erfolg von Underworld hat Ihnen doch eigentlich viele Freiheiten gegeben?
Die größten Freiräume hatten wir Anfang der 90er Jahre. Als es noch keine Plattenfirma gab und wir unsere Tracks im Schlafzimmer zusammengeschraubt haben. Als wir selbst unseren Bus mieten mussten, um auf Tour zu gehen.

Dann aber wurden die Dinge größer, wir wurden Teil dieser Popmusik-Strukturen. Und dann musst du liefern. Und tatsächlich bist du dann als Band irgendwann geliefert. Und es ist Rick zu verdanken, dass wir den Draht zueinander wieder gefunden haben und nun an diesem verrückten Projekt arbeiten …

Auf der Suche nach Freiräumen haben Sie offenbar den Jazz für sich entdeckt. Mit The Necks ist ein experimentierendes Jazz-Trio an dem Drift-Projekt beteiligt.
Wenn ich an Jazz denke, denke ich sofort an Miles Davis. Miles ist alles! Miles Davis und Pablo Picasso – diese beiden Künstler haben auf unbeirrbare Weise ihr Ding gemacht. Und sie haben sich ständig verändert. Sie waren Ausnahmekünstler – bis zu ihrem Tod. Viele Künstler werden mit zunehmendem Alter Parodien ihrer selbst. Vielleicht hat Rick das auch bei uns kommen sehen.

Und deshalb machen wir nun etwas wirklich Unberechenbares. Du musst bei diesem Projekt einmal die Woche zu einem Ergebnis kommen. Und das ist dann manchmal ein Techno-Gewummer, manchmal aber eben auch ein mehrstimmiger Gesangspart oder eben einer dieser richtig langen Tracks. Mit The Necks haben wir nie unter 45 Minuten improvisiert. Du musst deine Welt öffnen für andere Künstler und dich mit ihnen austauschen. Genau das hat Miles Davis auch getan!

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Haben Sie ihn live erlebt?
Ja, zweimal. Einmal im Wembley Conference Center und dann zusammen mit Prince im Glam Slam Club, den Prince Ende der 80er in Minneapolis eröffnete. Ich habe damals als Session-Gitarrist in den Paisley-Park-Studios von Prince gearbeitet. Nicht direkt mit ihm zusammen, aber Tür an Tür mit seiner Band und auch mit James Brown … Miles Davis im Glam Slam Club, das war fantastisch, das hat mich umgehauen.

Lassen Sie uns über dieses Wort „Drift“ reden. Im Deutschen gibt es das auch. Es bezeichnet eine Strömung, ein unkontrolliertes Treiben …
Ein schönes Bild für das, was wir machen und auch bei den Hörerinnen und Hörern auslösen möchten. Ursprünglich hat uns aber der Driftsport bei der Namensgebung inspiriert.

Der Driftsport?
Ein besonders ästhetischer Motorsport, bei dem es nicht nur auf Schnelligkeit, sondern auch auf das elegante Gleiten in den Kurven ankommt. Unser Lichtregisseur fährt bei solchen Rennen mit und hat uns diesen Sport nähergebracht.

Autos haben mich als kleiner Junge schon fasziniert. Ich erinnere mich gut an das Gefühl, im Auto die Welt durch die Fensterscheibe zu erleben, während im Radio Musik läuft. Wie die Musik zu einem Film. Das Auto ist ein romantischer Ort und auch ein Raum, in dem etwas Produktives passiert, etwa wenn du auf Reisen gehst.

Es wirkt allerdings etwas unzeitgemäß, auf so romantische Weise an Motorsport oder Autos zu denken, während die Blechkisten sich wie Dinosaurier durch unsere Städte bewegen.
Das stimmt, mit dem Auto sind wir längst in eine Krise gesteuert. Insofern ist unser Album auch ein Abschied von dieser Ära und von einem Sound. Wenn ich höre, wie jemand sein Motorrad aufheulen lässt, denke ich mir: Diesen Sound wird man irgendwann nur noch in einem Museum hören. Dann wird man den Verkehrssound, wie wir ihn heute kennen, nur noch in einem besonderen Raum erleben können.

Und als Soundtrack läuft dann im Hintergrund die Drift-Musik von Underworld…
So wird es kommen!
„Drift Series 1 Sampler Edition“, 7 CD/Blu-ray Box Set ist bei Caroline erschienen.

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