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Joe Chialo (l-r, CDU), Berlins Kultursenator, Lavinia Frey, Leiterin des Literaturfestivals Berlin, und Claudia Roth Kulturstaatsministerin bei der Eröffnung des Internationalen Literaturfestivals Berlin in der Staatsbibliothek Potsdamer Straße.

© picture alliance/dpa/Jens Kalaene

Internationales Literaturfestival Berlin: Reden ist Bronze, Schweigen problematisch

Francesca Melandri spricht über das Schweigen, Lavinia Frey stellt ihre Mission vor, und Claudia Roth zitiert Kafka: So war die Eröffnung des 23. ilb in der Berliner Staatsbibliothek am Kulturforum.

Dass Schweigen nicht nur Gold ist, sondern gerade in der Geschichtsschreibung auf ideologischen, staatlichen und ökonomischen Interessen beruht, war der Kern von Francesca Melandris Rede zur Eröffnung des 23. Internationalen Literaturfestivals Berlin (ilb). talienische Schriftstellerin nannte das fehlende Wörtchen „Sklaverei“ in der Unabhängigkeitserklärung und Verfassung der USA als Beispiel, die Jahreszahlen 1941-1945 auf dem sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni als ein anderes

Hätte im letzteren Fall nicht wenigstens die Zahl 1939 stehen müssen, als die Rote Armee eben noch nicht gegen Nazi-Deutschland zu Felde zog, sondern nach dem Hitler-Stalin-Pakt viel Unheil in den osteuropäischen Nachbarländern von Lettland bis Rumänien anrichtete?

Nun mag man einwenden, dass Denkmäler nicht dazu da sind, um die Geschichte in ihrer Komplexität abzubilden, dass die Zeit vor 1941 intensiv erforscht und darüber geredet wurde, halt nur nicht in der Sowjetunion und nun unter Putin nicht, wie Melandri ausführte.

Tolle Lesung einer 11-jährigen Schülerin

Auch lässt sich streiten darüber, ob im Westen zu wenig zu etwa Russlands Krieg gegen Georgien oder der Zerstörung des syrischen Aleppos gesagt worden ist – zu wenig unternommen wurde dagegen sicherlich. Nur wie diese Unternehmungen in Georgien oder Syrien westlicherseits hätten aussehen müssen oder man das Schweigen Putins über die Jahre 1939-1941 von außen beendet, darüber schwieg sich auch Francesca Melandri im Otto-Braun-Saal der Berliner Staatsbibliothek aus.

 Wir wünschen uns eine noch größere Vernetzung mit der internationalen Szene hier in Berlin.

Lavinia Frey, neue Festivalleiterin des ilb

Trotzdem war ihre Rede noch der Lichtblick einer Literaturfestivaleröffnung, auf der man sich wie gewohnt manches überflüssige Wort und literarische Zitat weniger gewünscht hätte. Sehr gut war die Lesung der Siegerin des Berliner Vorlesewettbewerbs, der 11-jährigen Celia Spick. Sie las aus Kästners „Pünktchen und Anton“, und zwar so, als hätte sie den Roman Wort für Wort selbst geschrieben. Danach folgten die Reden, die nun einmal sein müssen.

Nachhaltiges Festival

Lavinia Frey stellte sich als neue Leiterin des Festivals vor und skizzierte ihre „Mission“: „Wir wünschen uns eine noch größere Vernetzung mit der internationalen Szene hier in Berlin. Was können wir gemeinsam denken und entwickeln, das dann Bahn bricht während des Festivals.“

Die Gäste von überall her sollen von Beginn an in die „Kuration“ des Festivals miteinbezogen werden, auf dass „Vielstimmigkeit von Grund auf gewährleistet“ sei. Und als dritten Punkt nannte Frey ein „nachhaltiges Festival“: Schnell ein- und ausgeflogen soll niemand mehr, Autorinnen und Autoren sollen für einen viel längeren Zeitraum in Berlin bleiben.

Interessant war, dass Frey von einem „Klima von Offenheit, Vertrauen und Verbundenheit“ sprach, das bei der Arbeit des Festivalteams über allem stehe. Das korrespondierte schön mit dem Satz der Programmleiterin Simone Schröder in einem Interview im Festivalheft: „Ab dem ersten Tag mit neuer Leitung haben wir anders miteinander gearbeitet: konzentriert, strukturiert und wertschätzend.“

Kafka, Goethe, Hesse

Es gab viele schöne Worte für den Festivalgründer und jahrzehntelangen Leiter Ulrich Schreiber und seine außerordentlichen Leistungen, von Frey, klar, mehr noch aber von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Berlins Kultursenator Joe Chialo.

Roth gab sich gewohnt überschäumend und empathisch, ließ keinen Superlativ aus („großartiges Festival, „wunderbares Festival“, „megatoll“, „super“) und wollte auf den zu Tode zitierten Kafka-Satz „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ nicht verzichten. Was wiederum Chialo nicht auf sich sitzen ließ: mit dem „guten alten“ Goethe („Weltliteratur“), mit immerhin August Wilhelm Schlegel, mit dem ewigen Hesse-Anfang- und Zauberzitat. Reden ist manchmal nicht einmal nur Silber.

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