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Die britische Rapperin Little Simz ist in der Kategorie "Sound" nominiert.

© Jack Bridgland

International Music Award: Jung, weiblich, modern

Der neu gegründete International Music Award soll Pop-Qualität würdigen – nicht Verkaufszahlen. Nominiert sind unter anderem Billie Eilish, Solange, Lizzo und James Blake.

Den Echo vermisst wohl kaum jemand. Zumal nach dem Skandal um die Rapper Kollegah und Farid Bang, der letztlich zur Abschaffung des bis dahin bekanntesten deutschen Musikpreises führte. Dass er 2019 zum ersten Mal seit 26 Jahren nicht mehr verliehen wurde, fiel gar nicht weiter auf. Jetzt blitzt die Erinnerung an die von der Musikindustrie verliehene Auszeichnung noch einmal auf, denn am Freitag wird in Berlin erstmals ein neuer großer Popmusik-Preis verliehen: der International Music Award (IMA).

„Die Idee dafür existierte schon länger, aber sie erschien immer etwas zu größenwahnsinnig. Mit dem Ende des Echos gab es dann einen Kick, es doch mal zu probieren“, sagt Sebastian Zabel. Er ist Chefredakteur der deutschen Ausgabe des „Rolling Stone“-Magazins, das federführend ist bei dem vom Axel Springer Verlag ins Leben gerufenen IMA. Die Idee sei gewesen, einen Preis zu schaffen, der sich an Qualität und nicht an Quantität orientiert. Der starke Bezug auf Verkaufszahlen hatte den Echo ja stets so vorhersehbar gemacht.

Der neue Preis lässt dieses Kriterium außen vor und wartet mit ungewöhnlichen Kategorien auf. Sie lauten Commitment, Style, Future, Sounds, Visuals und Beginner. Zabel erklärt: „Commitment steht für Haltung oder gesellschaftliches Engagement.“ Nominiert sind hier Chance The Rapper, Lykke Li und Slowthai, was vor allem im Fall des Rappers aus Chicago einleuchtet, der immer wieder für soziale Zwecke gespendet und sich gegen Waffengewalt engagiert hat. Der britische Rapper Slowthai ist gegen den Brexit und beschimpft gern mal das englische Königshaus. Wie die schwedische Popmusikerin Lykke Li in diese Nominierungsliste geraten ist, erschließt sich hingegen nicht.

Klarer liegt der Fall in der Kategorie „Future“, in der es um musikalische Innovation geht. Hier stehen neben der Rapperin Noname mit der Neo-Flamenco-Sängerin Rosalía und der Computermusikerin Holly Herndon zwei der aufregendsten Sounderfinderinnen der letzten Zeit zur Wahl. Auffällig ist die hohe Zahl von Frauen in den Nominierten-Listen.

So sind die Kategorien „Sound“ (Solange, Little Simz, Anna Calvi) und „Beginner“ (Billie Eilish, Jorja Smith, King Princess) sogar komplett weiblich besetzt. Auch sonst stellen sie außer bei „Commitment“ überall die Mehrheit. In Sachen „Visuals“ bekommt es James Blake etwa mit Thierra Whack und FKA Twigs zu tun, wobei Letztere mit ihren spektakulären Tanzperformances hier wohl als Favoritin ins Rennen geht.

Die amerikanische Musikerin Billie Eilish ist in der Newcomer-Kategorie nominiert.
Die amerikanische Musikerin Billie Eilish ist in der Newcomer-Kategorie nominiert.

© Universal

Jung, weiblich, modern – damit bildet der Preis einen starken Kontrast zum Profil des „Rolling Stone“, auf dessen Titel in der Regel ältere (oder auch schon tote) Herren abgebildet sind, die schon länger nicht mehr durch experimentelle Töne aufgefallen sind. Zuletzt wurden Bob Dylan und die Beatles gefeiert – davor immerhin Billie Eilish, die in der IMA-Newcomer-Konkurrenz die besten Karten haben dürfte. Es ist insgesamt ein beeindruckendes Feld, das viele maßgebliche Pop-Strömungen der letzten Zeit aufnimmt.

Die Jury war prominent besetzt

Aufgestellt wurden die Listen der IMA-Kandidatinnen und Kandidaten in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst legte ein Gremium von Redaktionsmitgliedern der Springer-Magazine „Rolling Stone“, „Musikexpress“ und „Metal Hammer“ pro Kategorie acht Namen fest. Diese wurden einem Panel von 26 Musikerinnen, Musikern und Journalisten vorgelegt, darunter viel Prominenz wie Liam Gallagher, Charlie XCX, Joy Denalane, Chilly Gonzalez, Joan Wasser, Rufus Wainwright und Benjamin von Stuckrad- Barre. Sie wählten drei Nominierte pro Kategorie aus, über die wiederum eine sechsköpfige Jury abstimmte. Diese bestand aus den Chefs der oben genannten Magazine plus den Verantwortlichen von drei weiteren internationalen „Rolling Stone“-Ausgaben.

Die IMA-Trophäen werden am 22. November in der Verti Music Hall vergeben (Livestream hier). Bei der von Billy Porter und Toni Garrn moderierten Show stehen einige der Nominierten wie Anna Calvi und Holly Herndon auf der Bühne, außerdem sind Udo Lindenberg, Peaches, Max Herre & Joy Denalane und Sting dabei, der mit dem Lebenswerkpreis „Hero“ geehrt wird.

Rammstein erhalten den Publikumspreis

Nicht alle Gewinnerinnen und Gewinner werden in Berlin auftreten. „Aber wir waren mit allen in Kontakt“, so Zabel. „Bei manchen wird es bei einem eingespielten Video bleiben.“ Relativ wahrscheinlich ist hingegen ein Gastauftritt von Rammstein. Die Berliner Band hat in der per Publikumsvoting ermittelten Kategorie „Performance“ gewonnen. Gerade machen die sechs Musiker Tourpause, sie hätten also Zeit. Zudem erscheint am Freitag das zweite Soloalbum von Sänger Till Lindemann, da kommt so ein Auftritt sicher nicht ungelegen.

Rammstein sind die einzigen Deutschen, die an diesem Abend einen Preis bekommen werden. Dass es keine Landsleute auf die Nominiertenlisten geschafft haben, könnte am Zuschnitt des Panels liegen. Da es sich um einen internationalen Preis handelt, lässt sich das verschmerzen. Für die einheimische Szene gibt es ja noch den seit 2016 vergebenen Preis für Popkultur. Dort hatten im Oktober wieder die Männer die Nase vorn: Deichkind, Dendemann, K.I.Z., Kitschkrieg hießen hier die Gewinner (und Sophie Hunger als beste Solokünstlerin). Schon mal schön, dass das beim IMA anders aussehen wird.

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