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Anna Maria Maiolinos Performance „Entrevidas“, (Zwischenleben) von 1981.

© Henri Virgil Stahl

Intermezzo in der Neuen Nationalgalerie: Wie auf Eiern laufen

Vorsichtig schreiten statt ungelenk trampeln, das könnte auch ein Hinweis fürs Alltagsleben in Krisenzeiten sein. Ein Testlauf im Museum.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Unsicherheit ist im Moment ein großes Thema in der Gesellschaft. Die Zukunft ist ungewiss, nichts scheint mehr planbar. Klar ist nur, dass es wahrscheinlich auf sehr vielen Ebenen nicht mehr so weitergeht wie bisher.

Wahrscheinlich schreibt bald eine KI diese Kolumne, während ich beim Sport bin, wofür mir dann hoffentlich trotzdem jemand Geld bezahlt, weil ich immerhin die Biomasse in Schuss halte. Klima, Temperatur und Wetter machen uns Sorgen, sowie das Geld und die Wirtschaft, die Beziehung zwischen den Staaten. Eigentlich müssten wir uns mit größter Vorsicht über den Planeten bewegen, nicht fliegen, weniger bauen, nicht konsumieren, nicht schießen.

Hindernisparcours auf den Straßen von Rio

Ein Sinnbild für die Fragilität aber auch die Widerstandskraft des Lebens fand die Künstlerin Anna Maria Maiolino schon 1981. Damals unter dem Eindruck der Militärdiktatur in Brasilien.

Die italienisch-brasilianische Künstlerin legt hunderte rohe Hühnereier auf der Straße vor ihrem Studio in Rio de Janeiro aus und lud Passanten dazu ein, sich ihren Weg durch diesen Hindernisparcours zu bahnen. Natürlich möglichst ohne eines der Eier kaputtzumachen. „Entrevidas“, auf Deutsch Zwischenleben, nannte sie die Performance.

Die Neue Nationalgalerie zeigt in dieser Woche eine Neuauflage von Maiolinos Performance. Was wiederum neue Assoziationen auf die aktuelle Zeit provoziert. In der leeren, oberen Halle des Mies-van-der-Rohe-Baus werden von einer Säule zur anderen etwa 1200 rohe Hühnereier auf dem Marmorboden ausgelegt. Das allein wird schon ein visuelles Erlebnis sein. Die fragilen Eier im gläsernen Kunsttempel, die organischen Formen in der geometrischen Strenge der Moderne-Architektur.

Von Donnerstag bis Samstag wird es dann jeweils am Nachmittag eine Performance mit dem Schauspieler Gabriel Sitchin geben, dem Enkel von Anna Maria Maiolino. Auch das Publikum wird zum Teil einbezogen, und darf nach Aufforderung zwischen den Eiern hin- und herspazieren, so erzählt es Nationalgalerie-Kuratorin Irina Hiebert Grun, die am Samstag bei einem Artist-Talk ein Gespräch mit der Künstlerin führen wird. Die Eier werden übrigens nach der Performance eingesammelt und an Food Sharing weitergegeben. Noch ein Grund mehr, vorsichtig zu sein.

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