zum Hauptinhalt
Am Lendhafen in Klagenfurt

© privat

Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb: Die Unzuverlässigkeit von Netzen und Texten

Am zweiten Tag des Klagenfurter Wettlesens gibt es viel Mittelmaß - und am Ende mit Anna Felnhofer doch noch eine potentielle Preisträgerin.

Ganz Klagenfurt steht im Zeichen der Literatur - das hört man dieser Tage während des Bachmannpreis-Lesens unablässig von den Verantwortlichen aus der Politik und vom ORF. Das müssen sie sagen, sind die Stadt und der Sender schließlich die wichtigsten Geldgeber, und es stimmt natürlich nur bedingt. Gerade auf dem Weg zum Wörthersee wirkt es, als sei ganz Klagenfurt vor allem eine sportive Stadt, auf dem Rad, in Laufschuhen, auf Booten auf dem Kanal oder dem See.

Trotzdem: Am Lendhafen, dem Übergang von der City zum See, wird traditionell das Lesen umsonst und draußen übertragen, vor oft nicht wenig Publikum. Und oben auf dem Martin-Luther-Platz, neben der Johanniskirche, hängt an deren Garteneingang ein Porträt des 2009 verstorbenen Dichters Gert Jonke, darunter die Zeile: „War seit seiner Jugend der Johanniskirche und dem Lendkanal nahe“. Weshalb Jonke gleich noch auf einer der Brücken über den Kanal zum Universitätsviertel hin einen Gert-Jonke-Steg bekommen hat.

Jonke kehrte 1971 zwar seiner Heimatstadt den Rücken, zunächst nach West-Berlin, und er ist begraben auf dem Wiener Zentralfriedhof. Doch wurde we 1977 beim Gründungswettbewerb der erste Ingeborg-Bachmann-Preisträger, was eine zusätzliche Verbindung zu Klagenfurt schuf.

Die Sonne hatte an Stärke verloren

Und heuer, wie man hierzulande gern sagt, fast ein Vierteljahrhundert nach Jonkes Sieg?

Da ging der Wettbewerb an diesem Freitag in seine zweite Runde und gewissermaßen in die Etappe. Es dominierte das Mittelmaß. Im Grunde konnte man nochmal verfolgen, wie gut die Texte von Andreas Stichmann und Valeria Gordeev vom Vortag waren. Sophie Klieeisen las eine Geschichte über die Einweihung des rekonstruierten Berliner Schlosses, die keine reportagehaften Züge trägt, wie Juror Thomas Strässle meinte, aber schlappe Sätze wie diese so einige hat: „Auch in der Presseschlange herrschte Chaos“. Oder: „Die Sonne hatte an Stärke verloren und ihre brennenden Quadrate auf dem Boden in Rauten verwandelt“. Kein schlechter Text, das nicht, aber alles andere als ein großartig literarischer.

Ähnlich bei Martin Piekar, der ein Requiem auf seine verstorbene polnische Mutter vortrug, die Geschichte einer Mutter-Sohn-Beziehung. Eindrucksvoll war vor allem Piekars Vortrag: eine Lesebühnenshow. Auch Jacinta Nandis Geschichte über eine Mutter und ihre Sorgen, ihren Sohn, ihren gewalttätigen Partner und ihren Spaß, den sie trotzdem zu haben verlangt, ist eine durchaus boshaft-satirische, auch gut lesbare, aber doch eher schlichte.

Felnhofer vor Gordeev und Stichmann

Am Ende riss es Anna Felnhofer heraus mit „Fische fangen“ und dem auf mehreren zeitlichen Ebenen spielenden, mit Rückblenden und einem schönen Motiv arbeitenden Porträt eines Opfers, das die Opferrolle dankbar annimmt, weil nichts anderes von ihm erwartet wird: „Es empört sich ein Fisch, der gefangen werden will, über die Unzuverlässigkeit der Netze.“

Vom ersten Satz an fängt „Fische fangen“ den Leser, Wort für Wort atmet diese Erzählung Literatur. Mühte sich die Jury, den vorherigen drei Texten eine gewisse Literarizität zu attestieren, war das in diesem Fall gar nicht nötig. Philipp Tingler rannte da mit seinem Ausruf, dies sein ein Text „von hoher literarischer Qualität“ nur offene Türen ein. Also: Felnhofer vor allen anderen an diesem Tag und gleichauf mit Gordeev und Stichmann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false