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Klaus Jurgeit: „Interieur Galerie Taube“, Aquarell (40 x 60 cm) von 1988.

© Galerie Wolf & Galentz

In seinem Element: Galerist Klaus Märtens und das Figurative

Die Berliner Galerie Taube musste während Corona aufgeben. Nun ist ihr eine Jubiläumsschau zum fast 50-jährigen Bestehen gewidmet.

Schützend breitet der goldene Engel seine Arme und Flügel über die Galerie Taube und ihre Personage aus. Galerist Klaus Märtens in seinem Element inmitten von Kunst und Künstlern. Die Männer scheinen einen Lobgesang anzustimmen auf die Kunst generell oder auf das zentrale Gemälde mit der weiblichen Aktfigur, die in der Haltung des Gekreuzigten über einer Gebirgslandschaft schwebt.

Das kleinformatige, mythische Ölbild stammt von Archi Galentz, der selbst links im Vordergrund steht, in den Händen eine quadratische Leinwand in Rückenansicht. Den Blick richtet er konzentriert auf eine Außenszenerie, so als wolle der Schöpfer sein Werk noch einmal auf dessen realistischen Gehalt überprüfen und auf jene akribische Figuration, der sich auch Klaus Märtens Zeit seines Galeristendaseins verpflichtet fühlte.

Vor 50 Jahren hatte der 1937 geborene Märtens die Galerie Taube im Zeichen „des seit der Sintflut so eminent traditionsbewahrenden Vogels“ gegründet. Kurz vor dem runden Geburtstag musste er die Räume in der Pariser Straße — die er seit 1973 bespielt und zur konstanten Adresse für realistische und figurative Kunst aufgebaut hatte — aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Gefeiert wird trotzdem. Die Galerie Wolf & Galentz richtet dem einst unermüdlichen Streiter für den Realismus eine Hommage zum Jubiläum aus. Archi Galentz, Künstler und Galerist in Personalunion, und sein Partner Andreas Wolf sind programmatisch bereits in die Fußstapfen der Galerie Taube getreten und werden künftig auch einige der Künstler:innen in ihr Portfolio übernehmen.

Auch Märtens hatte einst Kunst studiert, eine Auswahl seiner Bilder wird ebenfalls in der Ausstellung präsentiert. Neben Porträts sind es erstaunlicherweise lyrische Abstraktionen. Dem zu seiner Studienzeit vorherrschendem Diktum des Informel entzog sich der junge Maler zunächst durch den Griff zur Fotokamera und Publikationen als Fotograf und später dann durch sein Galerieprogramm. Da Realismus und klassische Fotografie in der Regel einander nahe sind, stellte die Galerie Taube immer wieder auch Fotograf:innen wie Lotte Jacobi, Karl Blossfeldt oder Albert Renger-Patzsch aus. Barbara Klemm, Grande Dame der Reportage- und Dokumentarfotografie, ist mit vier Porträts von Kulturschaffenden vertreten, darunter eine Aufnahme der noch jungen Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Neben fotografischen Dokumentationen von Klaus Märtens versammelt das Kabinett Digitaldrucke und Lith-Prints des georgischen Architekten und Fotografen Pjotr Filin. Die Aufnahmen vom Berliner Olympiastadion oder dem Esposicione Universale Roma muten in ihrer Lichtführung und der matt-samtenen Oberflächenwirkung wie phantastisch-surreale Stadtveduten an.

Lars Lehmann: „Berlin: Westhafen 1“, ein Ölgemälde von 1999.

© Galerie Wolf & Galentz

Zur Ausstellungseröffnung war der 86-jährige Galerist nicht nur in Form von Selbstbildnissen und Porträts, die Künstlerkollegen wie Markus Lüpertz oder Pavel Feinstein von ihm gefertigt haben, anwesend, sondern auch per Live-Video zugeschaltet. Prostete den zahlreich erschienenen Gästen zufrieden mit einem Glas Rotwein zu und begrüßte alte Weggefährt:innen.

Unter den insgesamt mehr als 30 Künstler:innen sind Urgesteine der Galerie Taube wie Eberhard Franke und Klaus Jurgeit, deren Radierungen und Aquarelle West-Berliner Lokalkolorit versprühen oder Edwin Dickmann, dessen 1960 entstandenes, dunkel gestimmtes Ölbild „Die Hinrichtung“ bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. Dem 1929 in Chicago geborenen Maler war sowohl die erste als auch die vorletzte von insgesamt 252 Ausstellungen der Galerie Taube gewidmet. Denn Märtens zeichnete nicht zuletzt eine beharrliche Treue zu seinen Künstler:innen aus.

Auch Lars Lehmann gehörte über zwei Jahrzehnte dazu. Den Berliner Westhafen bei Sonnenuntergang taucht der 1967 geborene klassische Realist in ebenso klare Konturen wie in ein gedämpftes und ruhiges Kolorit. Während der experimentierfreudige Rudolf Stüssi mit im Wortsinne schrägen Stadtlandschaften fasziniert. Häuser und Straßen, Bäume oder urbanes Mobiliar lässt der Künstler so perfekt kippen, stürzen und wogen, als wären sie Grashalme im Wind. Die „fünfte Perspektive“ nennt der Schweizer seine eigenwillige Technik, die alles Starre und Statuarische in eine vibrierende Dynamik versetzt und dem Hochbahnhof Eberswalder Straße auch schon mal augenzwinkernd eine Sphinx aufs Dach setzt.

„Unsere Räume sind zu klein, um eine 50-jährige Geschichte abzubilden“, gesteht Archi Galentz zur Vernissage in seinem „Dank an eine Institution“. Doch mit 130 Kunstwerken (Preise 120-6800 Euro) gibt die dicht gehängte Hommage einen recht kompakten Überblick über das Programm der Galerie Taube, samt der stets liebevoll edierten Katalogbroschüren.

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