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Überblick. Anders Gjennestads „Uplink“ (2018), Aerosol auf Holz.

© Friedmann-Hahn

Urbane Kunst von Anders Gjennestad: Immer in Bewegung

Alltagsgegenstände als Leinwand: Die Charlottenburger Galerie Friedmann-Hahn zeigt die Werke des norwegischen Künstlers Anders Gjennestad.

Der Mann in Trainingshose und mit Basecap ist mitten im Sprung. Das Wenige, was man von seinem Gesicht sieht, wirkt konzentriert. Vielleicht ein Breakdancer, der über seine nächste Drehung nachdenkt und schon den Punkt fixiert, auf dem er landen will. Eine zweite Figur, diesmal fast fallend – beide werfen Schatten über die zerkratzte Metalloberfläche, auf die sie mit Schablonen gesprüht sind.

Urban Art ist nicht gerade, was man in Charlottenburger Galerien erwartet. Mit Anders Gjennestad hat die Galerie Friedmann-Hahn (Wielandstraße 14, bis 7. Juli) jedoch einen Coup gelandet: Schon zum vierten Mal stellt der norwegische Künstler dort aus, diesmal seine Ausstellung Gravity. Schwerkraft – ein Titel, der seinen Werken diametral gegenübersteht, wirken die Motive doch nahezu schwerelos. Gjennestad fängt sie in der Bewegung ein und hält den Moment dank langer Schlagschatten doch dynamisch. Keine Spur von Starre oder Statik: Gjennestads Motive – in dieser Ausstellung ausnahmslos Breakdancer und Skater – befinden sich in Bewegung, obwohl sie stillstehen. Man ahnt die Fortsetzung der Bewegung, die dem Schatten zu folgen scheint, die Drehung, den Sprung.

Berlin findet sich in Gjennenstads Werk wieder

Die Leinwände des Künstlers sind in Berlin gefundene Alltagsgegenstände: alte, abgerissene Plakatwände, Druckersetzkästen, Holzbretter, Mülleimer, Paletten. Sogar eine halbe Schultafel, an der noch der Sticker „Volksbildung Berlin-Friedrichshain“ klebt. Dabei bearbeitet er den Untergrund nicht nur, sondern passt sich an und geht auf die Eigenheiten des Materials ein: Der Schatten des Mannes, der über das Grün der Tafel zu gleiten scheint und aussieht, als sei er mit einem nassen Schwamm dahingewischt, ist mit Transparentlack gemalt.

Gjennestad lebt hauptsächlich in Berlin – und die Stadt, die ihm mit ihrem Abfall seine Leinwände liefert, findet sich in all ihren Widersprüchen in seinem Werk wieder. Bätternder Lack, verbeultes Metall, verblasste Poster, lila Glitzer über splitterndem Holz – das Kaputte, Raue, das doch voller Charme und Herz ist (zumindest meistens), spricht aus den Leinwänden, denen Gjennestad Leben einhaucht. Vom klapprigen Kinostuhl bis zur wandfüllenden Plakatwand – und so variabel wie seine Materialien sind auch die Maße der Werke (Preise: 3900–14 800 Euro).

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