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Im Wald von Birkenau. Der Theaterregisseur (Cornelius Schwalm, r.) und die Hauptdarsteller (Franziska Petri, Patrick von Blume) nach dem KZ-Besuch.

© Dejavu-Film

Im Kino: "Hotel Auschwitz": Am Ende kommen die Künstler

Heucheln, neiden und erinnern: Die ätzende Satire „Hotel Auschwitz“ erzählt von einer dysfunktionalen Theatertruppe, die nach Polen reist.

Diese Dialoge! „Ich persönlich habe Angst vor der Beliebigkeit“, seufzt Theaterregisseur Martin bei den Proben zu seiner Inszenierung von Peter Weiss’ Auschwitzprozess-Drama „Die Ermittlung“ mit waidwundem Blick. Und als Regieassistent Matti nach einem mit der Theatertruppe angesetzten Besuch des Konzentrationslagers Birkenau mittags Grillgut anreicht, winkt Schauspielerin Sabine ab: „So kurz nach Auschwitz kann ich keine Würstchen essen.“ Das Geschwafel deutscher Kulturschaffender vor der symbolbefrachteten Kulisse des Konzentrationslagers Birkenau wirkt entsetzlich profan. So menschlich verständlich und gut gemeint das unsichere Ringen um die „Vergangenheitsbewältigung“ der Künstler auch ist.
Diese wahlweise Gelächter oder Genervtheit provozierende Abstoßreaktion ist in „Hotel Auschwitz“ beabsichtigt. Angezettelt vom Berliner Schauspieler Cornelius Schwalm, der bei der rabenschwarzen Lowbudget-Farce in Personalunion als Regisseur, Autor und Regisseursdarsteller fungiert. Der Mann ist Jahrgang 1967 und kennt den von Eitelkeiten, Abhängigkeiten, Gefühlsduseleien und (pseudo)intellektuellen Ansprüchen befeuerten Ton der Theater- und Filmbranche aus dem Effeff. Entsprechend gut ist das heillose Betroffenheitsgelaber in seiner Kunstbetriebssatire getroffen.

Grauenvolles Symbol menschlichen Versagens

Für ihn sei Auschwitz das größte und grauenvollste Symbol für menschliches Versagen, sagt Schwalm. Im banalen Verhalten seiner Figuren erkenne er alle Strukturen, die zu Konzentrationslagern geführt hätten: „Unterdrückung, Machtmissbrauch, Neid, Ausgrenzung, Obrigkeitshörigkeit, fehlende Zivilcourage und Solidarität.“
Tatsächlich ist die Kerncrew aus Regie, Assistenz und den Hauptdarstellern Sabine (Franziska Petri) und Holger (Patrick von Blume) auf der sommerlichen Reise nach Ausschwitz mehr mit ihren Machtspielchen und Befindlichkeiten beschäftigt als mit dem geplanten Theaterstück. Nicolas Wackerbarths bittere Komödie „Casting“ lässt grüßen.
Das führt zu merkwürdigen Bildern. Eben noch zog eine israelische Besuchergruppe mit blauweißen Fahnen an den Überbleibseln der Lagerbaracken vorbei. Nun hocken Holger und Sabine im Gebüsch und kitten ihre heimliche Affäre durch Verzweiflungssex. Dicht gefolgt vom schluchzenden Zusammenbruch der Regisseurslusche Martin, der alles abbrechen will, „weil er diese Dimension einfach nicht ausdrücken kann“. Doch dazu ist er dann doch zu scharf auf Karriere und auf Sabine, die sich MeToo-gemäß abschleppen lässt.

Und dann auch noch eine polnische Trashfilm-Truppe

Als die Deutschen dann auch noch auf die polnische Jüdin Goshka und ihre Trashfilmtruppe treffen, die den blutgetränkten Boden der Geschichte ebenfalls für ihre Selbstdarstellung ausbeutet, läuft der Theater- und Menschenmurx total aus dem Ruder. Beim Showdown in der Fabrikruine der IG Farben, der Verbindung zwischen Faschismus und Kapitalismus wegen, ist klar. Sieht man vom letzten Drittel ab, in dem die vorher genau beobachtende Kreativenposse in Richtung Plotte abschmiert, zeigt „Hotel Auschwitz“ viel Mut zu ätzenden Wahrheiten. Zweifelhaft bleibt allerdings, ob sich gesellschaftliche und künstlerische (Gedenk-)Mechanismen aufbrechen lassen, in dem man sich der touristischen und landschaftlichen Kulisse des Grabs von 1,2 Millonen Menschen bedient. Die Erkenntnis, dass heute genauso wie damals jeder die Anlagen zum willigen Vollstrecker in sich trägt, hat man schließlich schon durch Hannah Arendts Eichmann-Prozess-Buch „Bericht von der Banalität des Bösen“ kapiert. Gunda Bartels

Im Berliner Kino Krokodil

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