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Regisseurin Barbara Rohm spricht im Kino Kosmos vor einer Grafik.

© picture alliance / Bernd Settnik

Diskriminierung in der Filmbranche: Ignoranz und Fahrlässigkeit, die wütend machen

Wer wird mehrfach diskriminiert? Ein Panel der Berlinale diskutiert über Intersektionalität.

„Als weiße Frau bist du immer noch weiß. Eine schwarze Frau mit bürgerlichem Hintergrund hat es immer noch leichter als eine Migrationsfrau aus der Unterschicht. Da fällst du dann komplett aus dem System heraus.“ Die Schauspielerin Lara-Sophie Milagro erklärt plastisch, was Mehrfachdiskriminierung bedeutet.

Sie ist eine der Teilnehmerinnen des Berlinale-Panels von Pro Quote Film, das diesmal unter dem Stichwort „Intersektionalität“ stattfand. Gemeint ist das Zusammentreffen mehrerer Diskriminierungen, die auf „Race, Class, Gender“ abzielen, also rassistisch, sozial oder sexistisch abwertend sind. Auch Alter und Religion fallen als Kategorien darunter.

Die Stimmung im vollbesetzten Saal ist aufgewühlt, erst wenige Tage liegen die rassistischen Anschläge von Hanau zurück, das Panel hat erschreckende Tagesaktualität gewonnen. Es könne nun nicht mehr allein darum gehen, eine Quote für Frauen zu fordern, das Anderssein müsse Normalität werden; „die diverse Gesellschaft muss als normal und gesellschaftlich richtig daherkommen“, sagt Bundesstaatssekretärin Juliane Seifert in ihrem Grußwort.

Die heteronormative Gesellschaft ist das Kernthema der Diskussionen der Initiative Pro Quote Film. Noch immer sind Frauen in Gremien unterrepräsentiert, entstehen im Verhältnis zur Zahl der Absolventinnen der Filmhochschulen und Akademien zu wenig Projekte aus weiblicher Hand. Diesmal aber bekommt die Forderung nach Diversität noch eine andere Dringlichkeit. Es müsse um die Repräsentation einer pluralen Gesellschaft insgesamt gehen, die auch Frauen mit Migrationshintergrund umfasst.

Das „Spiel des Lebens“, so Susanne Foidl von Pro Quote Film, müsse „in Bewegung geraten“. Die medientypischen Stereotype über die Frau als „Jungfrau, Mutter oder Prostituierte“ soll abgelöst werden von lebensnahen Erzählungen, die Frauen in Hauptrollen ebenso viel Dialogzeilen einräumen wie Männern.

Sichtbar werden

Die Regisseurin Branwen Okpako mahnt indessen an, dass es auch Probleme mit sich bringt, wenn man sich über die eigene Unterdrückung definiert. Wichtiger sei es, sichtbar zu werden, und das eben nicht nur im Anderssein. Die junge Schauspielerin Mateja Meded will lieber gleich das System hacken. Die neue Generation könne, anders als die erste oder die zweite Migrationsgeneration, die Diskriminierung in der Gesellschaft nicht mehr ausblenden. Da sie nur wenige Rollen als Schauspielerin erhält, hat sie sich nun aufs Bloggen und auf Youtube verlegt, um in die Gesellschaft hinein zu intervenieren.

Die Realität der Deutschen mit Migrationshintergrund reduziere sich auf stereotype Darstellungen. „Wenn ich einen Film sehe, der das Thema Ehrenmord in reißerischer Form behandelt, von einer deutschen Regisseurin gefilmt, einem deutschen Drehbuchautor geschrieben, von einer deutschen Produzentin produziert, sehe ich eine Ignoranz und Fahrlässigkeit, die mich wütend macht“, so die Filmemacherin Deren Erencek in ihrem leidenschaftlichen Statement.

Ihr Ziel habe sie erst erreicht, wenn ihre Tochter nicht mehr auf einem Podium sitzen und über Diskriminierung sprechen muss, schließt Lara-Sophie Milagro unter großem Beifall. Auch wenn am Ende der Veranstaltung nur wenige neue Stichworte gefallen und wegen der kurzen Zeit nur ein paar Denkanstöße formuliert sind, ist die Notwenigkeit deutlich geworden, die Frauenfrage auch mit Blick auf die mehrfachen Diskriminierungen weiterzudenken.

Dunja Bialas

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