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Moose, Elk, Alces alces, Bull in Forest, Germany

© mauritius images / Raimund Linke

How slow can you go?: RTL und die wandernden Elche

Ausgerechnet Deutschlands krawalligster Privatsender will sich an „Slow TV“ versuchen. Dabei sitzen die Experten doch bei den Öffentlich-Rechtlichen!

Eine Kolumne von Claudia Reinhard

Die privaten Fernsehsender sind nicht gerade für Entschleunigung bekannt. Seit ihrer Gründung vor knapp 40 Jahren geht es hier tendenziell eher laut, bunt und dramatisch zu, insbesondere bei RTL, wo an diesem Wochenende mal wieder das Dschungelcamp eröffnet wird.

Umso mehr überraschte nun diese Nachricht: RTL will im Frühjahr auf seiner Streaming-Plattform zwei Wochen lang live übertragen, wie schwedische Elche von der Küste in Richtung Sommerweiden wandern.

Im Heimatland der Tiere ist das Eventformat seit der ersten Ausgabe vor fünf Jahren ein großer Erfolg. Mittlerweile schalten sich auch immer mehr Finnen zu, der Stream läuft nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule, während die Kinder Hausaufgaben machen, oder in der Kaffeeküche im Büro.

Kaminfeuer, Strickmarathon, Vogelfütterung

Der Trend zum „Slow TV“ stammt aus Norwegen. Dort begann er mit der Übertragung einer siebenstündigen Zugfahrt, die 20 Prozent der Bevölkerung nicht verpassen wollten. Es folgten ein Strickmarathon, mehrstündige Vorlesungen, die Fütterung an einem Vogelhaus in der Form eines Miniatur-Cafés („Piip-Show“). Auch acht Stunden live vor einem Kamin kamen gut an – passend zum Mediensprech-Begriff des Lagerfeuers für ein kollektives TV-Ereignis à la „Wetten dass...?“, das sich ja mitunter auch wie acht Stunden anfühlen konnte.

Doch ist dem gemeinen RTL-Zuschauer zuzutrauen, dass er sich in den Weiten der schwedischen Landschaft verliert, die Eleganz der langbeinigen Könige des Waldes zu schätzen weiß, dass ihn ein durchs Bild huschendes Auerhuhn ebenso begeistert, wie hochgewürgte Känguruhoden, oder ein Busenblitzer unterm Wasserfall? Schön wär’s.

Der RBB hatte in puncto „Slow TV“ übrigens eine Vorreiter-Rolle: Schon 1995 produzierte man hier für die ARD „Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ – auch diese, obgleich nur halbstündige und längst abgesetzte Sendung, hat heute Kultstatus.  

Vielleicht sollte also auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem Trend zur Langsamkeit noch mal eine Chance geben. Zeigen könnte man zum Beispiel: Einblicke in den hauseigenen Reformprozess.

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