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Eingebung auf High-Heels: Harper (Yehui Jeong) trifft einen Geist (Kyoungloul Kim).

© Jacintha Nolte

Berlin-Premiere: Himmelstreppe

Studierende der UdK zeigen eine unterhaltsame Inszenierung von "Angels in America" - mit einem Geist auf High-Heels und leuchtender Kloschüssel

Wie ein Popstar steht er da, der Engel. Auf den Stufen, die erlösungsversprechend in den Himmel führen: Der Ausweg aus dem irdischen Leiden, aus Krankheit, Enttäuschung, Herzensleid. „Tu, wozu du vorbereitet wurdest, Prophet“, lockt sie den an Aids erkrankten und von seinem Partner allein gelassenen Prior Walter (Benjamin Popson). Doch der hadert, will sich seinem Schicksal nicht ergeben und entgegnet: „Ich bin auf gar nichts vorbereitet“.

Für die Berliner Erstaufführung der Opernadaption von Tony Kushners preisgekröntem Theaterstück „Angels in America“ aus dem Jahr 1991 haben die Studierenden der Universität der Künste eine gelungene, teils mitreißende Inszenierung geschaffen. Die Handlung dreht sich wortwörtlich um diese Himmelstreppe: tragische Schicksale von Menschen, die im New York Mitte der achtziger Jahre angesichts von Stigmatisierung und Homophobie verzweifelt nach Erlösung suchen. Geister und Dämonen erscheinen, und sie alle haben ihre ganz eigenen Visionen für die Leidenden.

Da ist etwa der skrupellose und ebenfalls an Aids erkrankte Anwalt Roy Cohn (Daniel Nicholson), der mehrmals von seinem schlechten Gewissen besucht wird. Es wirft seinen Schatten auf ihn, doch er will seine Fehler nicht einsehen. Auch sein Schwulsein verleugnet er selbst im Angesicht des Todes.

Apokalypse aus dem Radio

Oder Harper Hill (Devi Suriani), die versucht, die nächtlichen Spaziergänge ihres Mannes mit Tabletten zu verdrängen – bis ihr in einer grandiosen Szene ein High- Heel-tragender Geist erklärt, was sie schon lange ahnt: ihre Liebe wird nicht erwidert. Und das alles, während sie durch eine leuchtende Kloschüssel schaut.

Das von Peter Eötvös 2004 geschaffene Musikdrama stellt vor allem die persönlichen Beziehungen zwischen den Charakteren in den Mittelpunkt, die alle auf ihre Weise von der Aids-Epidemie geprägt sind. Zum Ende des Stücks wirft die Vorahnung einer baldigen Apokalypse, von der die Engel aus dem Radio erfahren, die ganzen großen Fragen nach dem Zustand der amerikanischen Gesellschaft auf.

Diesen ernsten und immer noch aktuellen Stoff verwandeln die Darstellerinnen und Darsteller, von denen viele schon in internationalen Konzerthäusern auftreten, auch dank der großartigen Kostüme in eine kurzweilige Inszenierung mit viel Humor und Leichtigkeit.

Weitere Vorführungen am heutigen Samstag und mit veränderter Besetzung am morgigen Sonntag jeweils 19.30 Uhr.

Jakob Wittmann

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