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Der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk, 59

© Dennis Dirksen/Rowohlt Verlag

Heinz-Strunk-Roman „Es ist immer so schön mit dir“: Eine Entladung der Witzwesen

Tristesse totale: Der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk erzählt in seinem neuen Roman von einer toxischen Liebesbeziehung.

Der Hamburger Schriftsteller Heinz Strunk hat vor fünf Jahren einen Roman geschrieben, der an Düsternis, der in ihm dargestellten Erbärmlichkeit, Verwahrlosung und Kaputtheit eigentlich nicht zu überbieten ist: „Der goldene Handschuh“, benannt nach der realen Kaschemme auf St. Pauli, in der Strunks Hauptfigur, der reale Frauenmörder Fritz Honka Stammgast war.

Nach der Lektüre seines neuen Romans „Es ist immer so schön mit dir“ zweifelt man allerdings schwer daran, ob die „Goldene-Handschuh“-Düsternis wirklich so einzigartig ist. Ja, ob nicht dieser Liebesroman, der vor allem von einer verunglückten Beziehung und kaum von Liebe erzählt, dem Honka-Handschuh-Grusel in nichts nachsteht.

Was übrigens der Verlag mit seinem allein aus dem Titel bestehenden Cover und den nach unten zerfließenden Buchstaben im Grunde schon andeutet.

Der Held von „Es ist immer so schön mit dir“: ein 47 Jahre alter Mann in der Mittellebenskrise. Man kennt diese Figur auch aus anderen Romanen und Geschichten dieses Schriftstellers wie „Fleisch ist mein Gemüse“ und zuletzt dem Strunk-Romanmedley „Jürgen“: ein bisschen neben sich stehend, ein gar nicht so unglücklicher Verlierer, aber dann auch wieder nicht, ein Durchschnittstyp mit einem gewissen Reflektionsvermögen, was die eigene Existenz anbetrifft.

Strunks Hauptfigur steckt in der Mittellebenskrise

In diesem Fall ist der Mann Besitzer eines Tonstudios, produziert Hörspiele, nachdem eine Karriere als Musiker gescheitert ist.

Und er lebt in einer gemütlichen, ihm eine Idee zu gemütlichen, zu langweilig gewordenen, überdies sexlosen Beziehung mit einer Mathelehrerin, die Julia heißt: „Manchmal, wenn sie in der Stadt spazieren gehen und ihr Spiegelbild zufällig in einem Schaufenster aufblitzt, zuckt er regelrecht zusammen: Wie sehen die (wir) denn aus! Provinzler, die am Wochenende aus den umliegenden Speckgürteln gekrochen kommen, Eltern, deren Kinder gerade das Haus verlassen haben und die nun endlich wieder tun und lassen können, was sie wollen, aber verlernt haben, wie das geht: staunende, ratlose Witzwesen, die durch die aufgeladene Nacht irren. Je aufgeladener die Nacht, desto stärker entladen sich die Witzwesen.“

Das ist schon gut, gut beobachtet, selbstentlarvend, gemein, mitunter sarkastisch. Diese Form der Selbstbeobachtung betreibt Strunks Held ohne Unterlass, ob es sein Gesicht ist, seine Wohnung, wie er in Bars sitzt, auf Parties dämlich herumsteht.

Und natürlich auch, als er die sehr blonde, sehr schlanke, gut zwanzig Jahre jüngere Schauspielerin Vanessa kennenlernt. Oder besser, vermutlich der Traum so manches frustrierten, Midlife-Crisis-geschädigten Endvierzigers: Als sie ihn sich auf einer Filmpremierenparty ausguckt. Das mag er kaum glauben, ist dann aber nach einem kurzen Gespräch und dem Austausch von Telefonnummern hin und weg, „geflutet von reiner Seligkeit“.

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Nur ist das, was Heinz Strunk schließlich von den beiden erzählt, wie sie zusammenkommen, aber so gar nicht zusammenpassen und sich kaum was zu sagen haben, weit entfernt von reinen Seligkeitsflutungen, sondern ein reiner Depressionstrigger.

Es folgen Szenen aus einer, wie es jetzt immer heißt, „toxischen“ Beziehung: bei ihm zuhause, bei ihr, in Bars, in denen sie sich treffen. Und man verfolgt die beiden auf der „Internationalen Fachmesse für Gastronomie und Hotellerie“ in Hamburg, im kroatischen Opatja, wo er mit seinem alten Freund Peter ein paar Tage verbringt,„mit Blick auf die Insel Krk (heißt wirklich so)“, meint Strunk anmerken zu müssen. Oder in einem Saal im Hildesheimer „Romantik-Hotel“, wo Vanessa ihren Geburtstag feiert und ihn ihrer Familie vorstellt.

Man bemerkt das Bemühen Strunks, aus diesen Szenerien auch humoristische Funken zu schlagen, seinen in der Regel traurigen Nebenfiguren eine ansatzweise glamouröse Schrägheit zu verleihen, die vielen Dialoge so spröde-skurril wie möglich zu gestalten.

Nur ist Strunk zwar ein guter Beobachter, aber grundsätzlich kein so großartiger Erzähler, und auch die von Strunks kabarettistischer Band Studio Braun bekannte Komik will in diesem Roman nur wenig verfangen. Zumal es auch zwischen den beiden Liebenden kaum gute, geschweige denn humorige und schon gar keine poetischen Momente gibt.

Seine Selbstironie hat Grenzen

Was ja auch nicht sein muss – nur haben die Selbstzweifel und die Selbstironie bei ihm schon ihre Grenzen, gerade beim Sex, aber auch seinem immer noch guten Aussehen. Da fehlt es dieser männlichen Figur doch an Radikalität und Abgründigkeit.

Und mag diese vielleicht gerade in ihrer letztendlich unentschlossenen Charakterisierung noch mitten aus dem wahren Leben gegriffen worden sein, so lässt das Psychogramm von Vanessa doch zu wünschen übrig, um nicht zu sagen dass es leicht misogyne Züge trägt.

Ihre Karriere als Schauspielerin scheint schon gescheitert, als beide sich kennenlernen. Sie ist in ihren jungen Jahren missbraucht worden (was Strunk in Form eines urplötzlichen, erratisch wirkenden Perspektivwechsels zur Sprache bringt), dazu kommen eine Magersucht, viel Unentschlossenheit und eine White-Trash-Familie mit einer kranken Mutter, um die sie sich kümmern muss.

Ach ja, einen Vater gibt es auch. Der lebt in Wien und war früher der Lichttechniker der Band von Strunks Helden: „Er war nicht nur euer Lichtmann, sondern auch euer größter Fan. Deshalb bin ich quasi mit deiner Musik aufgewachsen.“

Tja, ob sie ihn deshalb unbedingt kennenlernen wollte? Man weiß es nicht, das wird auch nicht weiter verfolgt. So klappert es mancher Stelle in diesem Roman, schleppt er sich hie und da doch zäh dahin, um schließlich ohne größere Überraschung zu enden. Tristesse totale. Dagegen fiel in den Goldenen Handschuh selbst nach dem härtesten Vernichtungstrinken noch ein Lichtstrahl.

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