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Experiment in Pink. Die Galerie wird zum begehbaren Film.

© Jan Windszus

Heiner Franzen im Haus am Lützowplatz: Halfpipe im Hirn

Wie im Innern eines Kopfes: Der Berliner Künstler Heiner Franzen verwandelt das Haus am Lützowplatz in einen begehbaren Film.

Der Proband im Videoloop ist festgeschnallt auf seinem Stuhl und hilflos ausgeliefert den Reizen, die man an ihm erprobt. Der Betrachter darf sich frei bewegen. Aber auch ihn unterzieht der Berliner Künstler Heiner Franzen im Haus am Lützowplatz einem Wahrnehmungsexperiment. Die schwarzweißen Filmbilder stocken, stolpern, zittern, schlagen kopfüber um. Willkommen in Franzens „Großem Gesichtsfeld“. Wer reinwill in diesen Reflexionsapparat, muss sich rosa Tüllüberschuhe an die Füße streifen.

Von außen wirkt die Galerie wie geschlossen, alle Fenster verrammelt. Drinnen herrscht rosa Halbdunkel. Weicher Teppich polstert alle Oberflächen ab. Hier heißt es, das Gleichgewicht halten, vor allem mental. Franzen setzt seine Reize sparsam kalkuliert, aber eine Botschaft generieren seine störrischen Setzungen nicht. Selbst der Leiter des HAL, Marc Wellmann, gesteht, dass er die Ausstellung nicht versteht „und das ist gut“. Was hier zu sehen ist, sei ohnehin nur der Anfang. Franzen will weiterzeichnen und weiterdiskutieren.

Ein Bilderstrom

Der 1961 geborene Künstler greift gern Fragmente aus Kinofilmen auf. Was sich festhakt im inneren Bildergedächtnis, verarbeiten seine Installationen, ohne es rational zu ordnen. In einem Raum brabbeln aus Knetmasse geformte Lippen Sätze vor sich hin, synchron mitgesprochen von einem Darsteller aus Peter Brooks Marat/Sade-Inszenierung. Füße trappeln, Finger fingern und mutieren zu Mündern. Es ist als bewege man sich im „Großen Gesichtsfeld“ Franzens wie im Inneren eines Kopfes. In separaten Räumen nisten Sprachzentrum, visueller Cortex, motorische Steuerung. Dass Franzen eigentlich Zeichner ist, nämlich ein Aufzeichner von Spuren, verrät ein Durchgangsraum. Wie ein Höhlenmaler hat der Künstler hier Wände und Decke mit freien Lineamenten überzogen: abstrakte Denkmuster in cartoonhaftem Duktus. Und was geschieht, wenn der innere Projektor stockt und die Bilder ins Trudeln kommen? Franzens rosa abgepolsterte All-Over-Installation funktioniert wie eine Halfpipe fürs Hirn. Auf der soften Skaterbahn könnten die Impulse Schwung aufnehmen. Tun sie´s?

Im größten Ausstellungsraum hält das kleinste Objekt die Stellung: Die 2016 entstandene Mini-Videoinstallation „Schlüsselloch“ lässt ein nervöses Auge in den Raum plinkern. Das lächerliche, unheimliche Kunstobjekt wird selbst zum Voyeur. Streift man die rosa Überschuhe schließlich ab und trittwieder ins Freie, rattern die inneren Projektoren im Kopf weiter.

Bis 5.8., Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Tiergarten, Di-So 11-18 Uhr

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