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Hartmut Becker

© Bjoern Kommerel

Hartmut Becker zum 80.: Der Abgründige

Ironisches Augenblitzen des Widersprüchlichen: Der Berliner Schauspieler Hartmut Becker feiert seinen 80. Geburtstag.

Ein kleiner Schwarzweißfilm, der eine erstaunliche Wucht entfaltet. Ein paar junge Burschen in bayerischen Wäldern und Wiesen, die sich wie zur Gaudi als amerikanische GIs verkleiden und ein vorbeikommendes Landmädchen anmachen, vergewaltigen und dann abstechen mit den Worten „I schlacht di, du Sau“. Das Mädchen mit dem Namen Phan Ti Mao war die sehr junge Schauspielerin Eva Matthes, der süddeutsche Wald war der Dschungel von Vietnam, und einer der als GI kostümierten Akteure war Hartmut Becker in Michael Verhoevens „o.k.“.

Das Anti-Vietnamkriegs-Opus, von Brechts Lehrstücken wie vom Bauerntheater geprägt, sprengte als deutscher Wettbewerbsbeitrag 1970 tatsächlich die Berlinale. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen. Aber, apropos Brecht: Der Schauspieler Hartmut Becker erschien schon damals, im etwas holzschnitthaften Rahmen des angeblichen „Skandalfilms“, nicht als eindeutiger Bösewicht. Becker, der an der Berliner FU auch Germanistik und Theaterwissenschaft studiert hatte und früh auch Regieassistent bei Peter Zadek war, ist ein immer klug reflexiver, oft mit ironischem Augenblitzen das Widersprüchliche, Abgründige eines Menschen charakterisierender Darsteller. Er kam nie nur von Brecht oder dem Actors Studio, er kannte auch Shakespeare, Lessing oder das Understatement der amerikanischen Westernheroes.

Schon früh hatte er Lust auf Film

Angefangen von Braunschweig bis hin zum Berliner Schillertheater, am Münchner Residenztheater, den Kammerspielen oder an der Wiener Josefstadt hat er die Klassiker gegeben, ob als Mercutio oder Graf Appiani. Doch gab es früh auch schon die Lust am Film. In gut hundert deutschsprachigen TV- und Kinoproduktionen hat Hartmut Becker gespielt, hat außer mit Michael Verhoeven mit Peter Patzak, Wolfgang Becker, Carlo Roda oder Ulrich Köhler gedreht. Und früh ist der gebürtige Berliner als hochgewachsener Mann mit markantem Bariton (der deutschen Stimme etwa für Kris Kristofferson) auch international aufgefallen.

Richard Attenborough besetzte ihn 1976 in „Die Brücke von Arnheim“, und sein wieder abgründig dargebotener SS-Offizier im TV-Film „Flucht aus Sobibor“ (Regie Jack Gold) brachte ihm 1982 eine Nominierung für den Golden Globe ein. Bald darauf arbeitete er im italienischen Kino mit Lina Wertmüller zusammen. Zuletzt hatte er eindrucksvolle Auftritte in Jeanine Meerapfels Emigrantensaga „Der deutsche Freund“ oder 2015 als sarkastischer Kardinal in Gerd Schneiders sehr differenziertem Kirchen-Missbrauchsdrama „Verfehlung“. Man würde Becker, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, als souveränen Spieler gerne noch häufiger sehen.

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