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Idole der Sixties. Rex Gildo (Kilian Berger) und Gitte Haenning (Sidsel Hindhede).

© Missingfilms

Halbfiktionales Biopic über Rex Gildo: „Hossa, hossa“ war sein Fluch

Homosexuelle Tragödie. Rosa von Praunheim deutet das Leben des Schlagerstars mit Dokumentarmaterial und fiktiven Spielszenen.


Auch das noch. Rex Gildo, der immer knusprig braun gebrannte, niemals ergraute Sonnyboy des deutschen Schlagers, ist ein tragisches Opfer verheimlichter Homosexualität? Rosa von Praunheims unbestätigte filmische Lesart dieses Sängerlebens wird nicht allen Rex-Gildo-Fans gefallen. Deutschlands bekanntester und produktivster homosexueller Filmemacher rechnet auch kurz vor seinem 80. Geburtstag im November mal wieder fest mit Protesten.

In seiner semidokumentarisch erzählten Biografie „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ gibt der Regisseur den konservativen Fans auch gleich ein Gesicht. Drei Krawallschachteln, Typ Wilmersdorfer Witwen, halten in den fiktiven Spielszenen tränenreiche Treffen an Rex Gildos Grab in München ab. Sie verkörpern die repressive Öffentlichkeit, deren Ächtung der Schlagerstar, der als Ludwig Franz Hirtreiter 1936 in Straubing geboren wird, fürchtete.

In einer der betont künstlich-theatralischen, mit gemalten Kulissen ausstaffierten Studioszenen gehen die Krawallschachteln sogar auf Gildos Manager Fred Miekley (Ben Becker) los, der mit dem jungen Rex (Kilian Berger) im Bett liegt. „Rosa von Praunheim, Sie alte Sau“, brüllen sie den Regisseur an, der am Rande des Sets am Kameramonitor sitzt, „man muss doch bei der Wahrheit bleiben, nicht alle Männer sind schwul!“

Dafür, dass Rex Gildo es war, spricht der Grabstein, unter dem er nach einem Fenstersturz aus ungeklärten Gründen 1999 beerdigt wurde. Zusammen mit dem Manager und seiner Cousine und Schein-Ehefrau: ein Trio, das sich auch im Leben eine Villa teilte. Auch Zeitzeuginnen ahnten die sexuelle Orientierung des Sängers, Tänzers und Schauspielers, der sich als Frauenschwarm Typ Latin Lover vermarkten ließ.

So wie Cornelia Froboess und Gitte Haenning, die in den Fünfzigern und Sechzigern gemeinsam mit Gildo in Musikfilmen zu Jugendidolen wurde. Und Kollegen wie Costa Cordalis und Bernhard Brink, die sich verständnisvoll über Gildo äußern, der mit „Fiesta Mexicana“, „Speedy Gonzalez“ und anderen Partyknallern als Stammgast der ZDF-Hitparade 40 Millionen Schallplatten verkaufte.

Die Schlagerbranche lebte – vor der Ironisierung durch Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn – von Heile-Welt- und exotischen Klischees. Schwule wurden vom Paragrafen 175 kriminalisiert. Ein Männerpaar aus älterem Filmproduzenten und jungem Künstler konnte da nur als „Onkel und Neffe“ bestehen.

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Das ist die politisch-emanzipatorische Botschaft in von Praunheims tragischer Künstlerbiografie. Sie spielt Glanz und Elend des Showgeschäfts inklusive Alkohol- und Tablettensucht bis zum Originalmaterial durch, das den zur eigenen Karikatur verkommenen Künstler bei Möbelhaus-Shows zeigt.

Praunheims inzwischen häufig erprobter Stil, Lebensweg und Charakterbildung einer Person durch trashige Spielszenen nachzuzeichnen, geht allerdings in „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ schlechter auf als beispielsweise in der tollen Filmbiografie „Härte“ (2015) über den Kampfsportler Andreas Marquardt.

Ben Becker kommt als ehemaliger Wehrmachtsoffizier und Filmproduzent Miekley, der in Pygmalion-Pose den jungen Liebhaber zum Künstler formt (heute garantiert ein MeToo-Fall), zu wenig grandseigneurhaft rüber. Und das stilisierte Setting gemeinsamer Morgenrockgespräche wirkt oft zu parfümiert, zu unfreiwillig komisch, um wirklich zu bewegen. Trotzdem lässt von Praunheims Inszenierung dem ob seiner „Hossa, hossa“-Rufe und seines durch die Jahrzehnte zementierten Looks verhohnepipelten Rex Gildo späte Gerechtigkeit zuteilwerden.

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