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Im Vertrauen auf Gott und Patti Smith. Der britische Schriftsteller Nick Hornby, 63.

© Miriam Douglas/KiWi

Nick Hornbys Roman "Just Like You": Gute Wiedergabe

Jung und alt, schwarz und weiß und dann noch der Brexit: Nick Hornbys wunderbarer Liebesroman „Just like you“.

Mit dem britischen Schriftsteller Nick Hornby verhält es sich wie mit Freunden oder guten Bekannten, die man lange nicht gesehen hat und irgendwann wieder trifft, und davor stehen bange Fragen im Raum: Gibt es noch Verbindendes, stellt sich die frühere Vertraulichkeit erneut ein? Oder wird das Gespräch mühsam und zäh?

„Just Like You“ heißt Hornbys neuer Roman banal und nichtssagend (Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 382 S., 22 €)., und auch der Klappentext der deutschen Ausgabe verrät nicht besonders viel: Eine Beziehung geht in die Brüche, „und wenn du am wenigsten damit rechnest, verliebst du dich in jemanden, der das genaue Gegenteil verkörpert. Und trotzdem hängt der Himmel voller Geigen.“

Sanft welliges Hornby-Land, so der erste Gedanke also, ein Land, das man genau wegen dieser Sanftwelligkeit länger nicht mehr betreten hat. Wegen Geschichten mitten aus dem Leben, deren ernster Kern von Hornby jedoch immer mit viel Humor und Lockerheit zugedeckt wurde.

Was zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere nicht so störend war: In den neunziger Jahren verstand Hornby es, popkulturelle Phänomene präzise-heiter in den Blick zu nehmen und zu deuten. Mit „Fever Pitch“ und „High Fidelity“ (und in Ansätzen mit „About a Boy“) hatte er Romane geschrieben, in denen es um die Macht des Fußballs und der Popmusik auf die Lebensentwürfe junger Männer geht.

Viel Pop-Appeal, viel Pointenzauber

Mit dem Alter und dem steigenden Erfolg verließ den inzwischen 63-jährigen Autor jedoch das Gespür für seine Themen und den Umgang damit, da stand ihm bisweilen sein Pop-Appeal, sein Pointenzauber im Weg

Zuletzt gab es dann von ihm mit „Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst“ ein ausschließlich aus Dialogen bestehendes Buch, das auf einer Sitcom basiert, die er fürs britische Fernsehen geschrieben hatte; über einen Mann und eine Frau, die nach 15 Jahren Ehe diese mit Hilfe einer Paartherapie retten wollen.

Hornby schließt mit „Just Like You“ daran an: Aus einer nun definitiv beendeten, wenn gleich noch nicht rechtskräftig geschiedenen Ehe lässt er Neues beginnen. Dabei hat er aus dieser neuen Lovestory einen guten, lesenswerten Roman gemacht; einen Gegenwartsroman, in dem der Brexit eine nicht unwesentliche Rolle spielt (und als Metapher viel her macht), der vom Rassismus handelt, der unterschiedliche Klassen und Milieus miteinander verbindet.

In „Just Like You“ sind die 42 Jahre alte Lucy, eine Lehrerin, und ihr Mann Paul gescheitert, der Alkohol und das Kokain haben ihn aus der Bahn und der Ehe geworfen. Lucy verliebt sich in den 22 Jahre jungen Joseph, der sich mit Aushilfsjobs in einer Metzgerei, einem Freizeitzentrum und einem Fußballverein durchschlägt und hauptberuflich eine Karriere als DJ anstrebt.

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Hier also typisch juvenile Desorientheit, dort eine schwere Midlife-Crisis. Doch gibt es zwischen beiden nicht nur den Alters- und den Klassenunterschied, sondern auch den der Hautfarbe: Joseph ist schwarz.

Lucy und Joseph lernen sich in der Metzgerei kennen. Sie heuert ihn ein paar Tage später als Babysitter für ihre acht und zehn Jahre alten Jungs an, um auszugehen. Es dauert ein wenig, bis beide merken, dass sie sich mehr als nur sympathisch sind. Hornby entwickelt routiniert kurzweilig seine Geschichte und blickt im perspektivischen Wechsel in die Leben seiner Hauptfiguren im London des 21. Jahrhunderts.

Er arbeitet dort, wo sie wohnt, in einem besseren Londoner Stadtteil: „Die Leute in der Gegend waren nicht besonders vornehm, sie trugen Jeans und klangen nicht wie Prince Charles, aber sie hatten ganz offensichtlich Geld, und manchmal schien ihnen das ein wenig peinlich zu sein.“

Joseph wohnt in einem weniger guten Viertel, bei seiner Mutter, die Krankenschwester ist und mit seinem anderswo in der Stadt lebenden Vater nur noch das Nötigste verbindet. Lucy hat Blind Dates, unter anderem mit einem Schriftsteller, Michael Marwood, Joseph trifft sich mit einer gewissen Jaz, sie versuchen, der eigenen Generation treu zu bleiben

Man merkt, dass Hornby in dem ihm angestammten Milieu der mal mehr, mal weniger lässigen, gehobenen urbanen Mittelschicht sich besser auskennt als in der Lebenswelt eines jungen schwarzen Mannes. Das allerdings erhöht den Reiz seiner Geschichte nur. Umso authentischer wirken Lucy und ihr Umfeld. So wird Joseph selbst dann noch für eine Haushaltshilfe gehalten, als er und Lucy schon offiziell ein Paar sind und Lucys Freundeskreis zu Gast haben.

Hornby ist besser Sally Rooney

Auch racial profiling widerfährt Joseph einmal, da wird er von der Polizei aufgegriffen, als er vergeblich vor ihrer Haustür klingelt.

Natürlich hat Hornby jetzt nicht das Fach gewechselt. Sein Roman trägt romantisch-komödiantische Züge, desöfteren beschleicht einen das Gefühl, gleich auf der nächsten Seite Hugh Grant in Kapuzenpulli und Turnschuhen zu begegnen. Entertainment first, lautet die Devise, man soll sich wohlfühlen als Leser.

Doch versteht sich Hornby wie kaum ein Autor auf schnelle, lange, großartige Dialoge, auf das Sprechen „normaler Menschen“. Im Vergleich zu seiner im Moment so gefeierten jungen Kollegin wie Sally Rooney ist er doch eine Klasse für sich.

Wie nebenbei gelingt es ihm, ohne aufgesetzte Reflexionen, den Brexit in seiner Kompliziertheit zu fassen, so wie dieser ganz Großbritannien oder – im kleinen – das Lehrpersonal in Lucys Schule und einzelne Familien egal welcher Milieus in zwei Lager geteilt hat, wie überhaupt nach dem Referendum niemand die Folgen eines EU-Austritts absieht: „Lucy dachte noch immer peinlich berührt an ihr Gespräch mit Joseph über die Rezession und ihre Auswirkungen auf das Baugewerbe, aber wie sich herausstellte, sprachen sie alle über Dinge, die sie ganz sicher nicht verstanden, und das tröstete sie.“

Das Joseph auf dem Stimmzettel „Ja“ und „Nein“ ankreuzt hat da was schön Sinnbildliches.

Ob beim Brexit, ob in Hinsicht des offenen oder versteckten Rassismus in Londons Mittelschicht: Nie hat man den Eindruck, dass Hornby sich hier verhebt. Schon gar nicht, wenn er sich mit dem Altersunterschied seines frisch verliebten Paares beschäftigt. Wie wunderbar gepeinigt windet Joseph sich , als sie zu dem ersten von ihm produzierten House-Track komische, nicht passende Tanzbewegungen macht. Oder wie non-chalant stutzig macht es Lucy, dass es ihm an literarischer Bildung mangelt.

Überhaupt scheint es so einiges an Bildungsgefälle zu geben, in den Dingen der Popkultur bei ihr, in denen bildungsbürgerlicher Kultur wie Theater und Literatur bei ihm.

Nicht alles wirkt stimmig, etwa ihrer beider Besuch einer Shakespeare-Aufführung, bei der er sich mit seinem Vordermann in der Pause angeregt über Fußball unterhält. Doch gehören solche Unstimmmigkeiten, ja, Unwahrscheinlichkeiten, das Überwinden sozialer und intellektuellen Schranken in so einen Roman genauso wie manche Turbulenz, die Lucy und Joseph wieder zu entzweien scheint.

Nick Hornby gelingt es bis zum Schluss, die Spannung hoch zu halten, die entscheidende Frage hinauszuzögern: Schaffen es die beiden wirklich? Oder stellen Alter, Klasse und Rasse zu hohe Hürden dar? In jedem Fall weiß man nach der Lektüre, dass man einen alten Bekannten wie Hornby in Zukunft wieder gern häufiger begegnen möchte.

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