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Kultur: Gute Freunde kann niemand trennen

Bei einem Symposium treffen sich heute 300 private Kultur-Förderer in Berlin

Er gilt als Vater vieler Kultur-Förderkreise: Der Kaiser-Friedrich-Museums- Verein ist der älteste private Freundeskreis eines staatlichen Kunstmuseums in Europa. Selbst die Freunde des Louvre haben sich nach seinem Vorbild konstituiert. Gegründet wurde er 1896 von Wilhelm von Bode, damals Direktor der Berliner Gemäldegalerie, und Kunstsammlern wie dem Bankier Franz von Mendelssohn oder dem Textilgroßhändler James Simon. Mitgliedslisten der frühen Jahre lesen sich wie das Who’s who der wilhelminischen Wirtschaftselite.

Seit 110 Jahren erwirbt der Verein, der nach dem heutigen Bode-Museum benannt ist, Kunstwerke auf dem internationalen Markt. Das Geld dafür erlöst er aus Spenden seiner Mitglieder. Für ein 1650 entstandenes Gemälde des holländischen Marinemalers Simon de Vlieger gab man zuletzt 570 000 Euro aus, vorfinanziert durch einen Kredit. Über 100 Gemälde und 150 Skulpturen kamen so in die Berliner Sammlungen, darunter Werke von Rembrandt, Rubens, Riemenschneider.

Fast jedes Stadttheater, Museum oder Opernhaus kann sich mittlerweile eines eigenen Freundeskreises erfreuen, ebenso die meisten Orchester und Kunsthochschulen. Heute treffen sich im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin erstmals Vertreter dieser Freundeskreise aus dem gesamten Bundesgebiet. 300 Teilnehmer werden erwartet. Kulturmanager und Steuerexperten aus Deutschland, Großbritannien, den USA und den Niederlanden wollen – so verspricht es der Titel des Symposiums – die Frage beantworten, „wie man sich Freunde schafft“. Freundschaft, befand Voltaire im freundschaftssüchtigen 18. Jahrhundert, sei „die Verbindung der Seelen“. Gemeinnützige Kultur-Freundeskreise verbindet neben der Begeisterung für die Institutionen, die sie unterstützen, meist auch die Art, wie sie sich organisieren. Der Erfahrungsaustausch wird sich also auch Problemen des Steuer- und Vereinsrechts widmen. Oder der Frage, ob sich die Marketingstrategien privater Kulturpflege in den USA auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen.

In Deutschland übernehmen Bund, Länder und Gemeinden traditionell den Löwenanteil der Kulturförderung. 2003 gaben sie dafür insgesamt 8,2 Milliarden Euro aus. Doch private Kulturfinanzierung wird selbst in Zeiten öffentlicher Haushaltsnot als exotische Maßnahme wahrgenommen. Das beginnt bei der Statistik: Obwohl sich landesweit 30 000 gemeinnützige Vereine für wohltätige Zwecke engagieren, weiß niemand genau, wie viele davon sich kulturellen Themen widmen. Schätzungen gehen davon aus, dass Privatleute 2003 rund 60 Millionen Euro gespendet haben. Unternehmen investierten in Deutschland 2003 rund 400 Millionen Euro – nicht als uneigennützige Spende, sondern für Kultursponsoring.

Der Kreis spendenfreudiger Individualisten ist überschaubar. „Bei Privatspenden wird es ganz dünn, wenn es über die 50 000-Euro-Marke geht“, bestätigt Gernot Moegelin. Der Geschäftsführer einer Berliner Bauträger-Gesellschaft engagiert sich im Vorstand des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins und als Kurator der Freunde der Komischen Oper. Auch Claus Bacher wird, wenn er neue Freundeskreis-Mitglieder wirbt, regelmäßig gefragt: „Was habe ich davon? Was kostet es mich? Wie viel Zeit muss ich opfern?“ Dabei ist der Berliner Anwalt und Kunstsammler der lebende Beweis dafür, dass persönliches Mittun nicht nur Kosten und Mühen verursacht. Bacher gehört zu den Gründern der Fördervereine des Deutschen Theaters, des Maxim-Gorki- Theaters und, das war 1977, der Freunde der Nationalgalerie. 2005 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Überreicht wurde die Auszeichnung von Kultursenator Thomas Flierl im Deutschen Theater, wo kurz zuvor ein heftiger Kulturkampf über die Intendantenfrage getobt hatte. Der Freundeskreis verwahrte sich erfolgreich gegen Flierls Plan, Intendant Bernd Wilms abzulösen. Aus Bachers „Truppe von Wessis“, die das DT 1993 „als Besatzer“ übernahmen, ist ein ost-westlicher Förderkreis von knapp 700 Mitgliedern geworden. Man zahlt nur 75 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr, bringt aber gemeinsam regelmäßig sechsstellige Beträge zusammen, um das Haus zu modernisieren. Demnächst soll der Einbau einer dritten Bühne finanziert werden.

Als Gegenleistung erhalten Mitglieder von Freundeskreisen das Gefühl, nah dran zu sein. Manche Freundeskreise gehen auf Kunst-Reisen oder organisieren Atelierbesuche, andere laden zu internen Proben oder Voreröffnungen. Andrea Gräfin von Bernstorff, Geschäftsführerin der 200 Mitglieder starken Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hanns-Eisler-Musikhochschule, berichtet von einer Pianistenwitwe, die den heimischen Konzertflügel für die täglichen Übungen einer Studentin zur Verfügung stellt.

Im doppelten Sinne jung sind die erst Anfang 2000 gegründeten Freunde der Schaubühne, deren Mitglieder im Schnitt kaum älter sein dürften als Intendant Thomas Ostermeier. Vorstandsvorsitzender Stephan Balzer, der im Berufsleben eine Kommunikations-Agentur leitet, gehört zu den Organisatoren des Symposiums. Der Verein der Freunde der Nationalgalerie mit mittlerweile 1200 Mitgliedern initiierte Ende der neunziger Jahre den nach einem verstorbenen Gründungsmitglied benannten Stoberkreis. Für 100 Nachwuchs-Freunde, die unter 35 sind und dafür nur 325 statt 600 Euro Jahresbeitrag zahlen müssen, wird ein eigenes Programm gemacht. Die Freunde der Nationalgalerie, die mit Galadiners, eigener PR-Abteilung und spektakulären Ausstellungsvorhaben eine prominente Rolle in Berlins Kulturleben spielen, haben dafür gesorgt, dass das Mittun in Freundeskreisen wieder zum gesellschaftlichen Ereignis wurde. Glücklich die Stadt, die solche Freunde hat.

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