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Nele Hertling: An diesem Freitag feiert sie 90. Geburtstag.

© IMAGO/Funke Foto Services

Gründerzeit war immer: Nele Hertling zum 90. Geburtstag

Es wurde Zeit: Der Theaterpreis Berlin geht an die Erfinderin des Hebbel Theaters und vieler anderer zeitgenössischer Plattformen für Tanz und Theater.

Diese Ehrung hat sie schon lange verdient. Nele Hertling erhält den Theaterpreis Berlin 2024. Die Nachricht fällt, das ist ihr Wunsch, auf ihren 90. Geburtstag, den sie an diesem Freitag feiert. Der Preis wird traditionell beim Theatertreffen im Mai verliehen.

Ein Blick in die Begründung der Jury zeigt schon: Es wurde Zeit: „Seit über 60 Jahren transformiert Nele Hertling Berlin. Durch radikal zeitgenössische Kunst und Künstler*innen, deren selbstbestimmte und eigensinnige Arbeit sie unterstützt, ermöglicht, fördert und begleitet. Für die sie Räume und Möglichkeiten, Kontinuitäten und Wirksamkeit schafft. Und für die sie Kulturinstitutionen, Festivals, Förderfonds, Netzwerke und Partnerschaften erfunden, initiiert, gegründet oder umdefiniert hat.“

Mit dem Theaterpreis Berlin wurden in den vergangenen Jahrzehnten Dramatiker, Regisseure, Schauspielerinnen ausgezeichnet. George Tabori war 1988 der Erste, später ging der Preis an Pina Bausch, Heiner Müller, Frank Castorf und Henry Hübchen, Herbert Fritsch und Sandra Hüller, im letzten Jahr Sivan Ben Yishai. Die hinter den Kulissen wirken, tauchen auf dieser Liste kaum auf.

Räume für das Neue

Und da nimmt Nele Hertling, 1934 in Berlin geboren, eine absolute Sonderrolle ein. Sie hat Bühnen geschaffen, die es zuvor nicht gab und die es ohne sie wohl nie gegeben hätte. Es beginnt in den siebziger Jahren in der Akademie der Künste, wo sie mit Dirk Scheper das legendäre Festival „Pantomime, Musik, Tanz, Theater“ ins Leben rief. Heute nennt man das alles Performance. Hertling konnte diese zeitgenössischen, internationalen Formen erstmals hier präsentieren.

Als der damalige Kultursenator Volker Hassemer - er feierte kürzlich 80. Geburtstag - für die Kulturstadt 1988 die Werkstatt Berlin anregte, fiel die Wahl auf Nele Hertling. Mit der Neugründung des Hebbel Theaters und der Tanzwerkstatt wurde dieser Aufbruch fortgesetzt. Es entstand ein Netzwerk europäischer Ko-Produktionsstätten, das Matthias Lilienthal und Annemie Vanackere, ihre Nachfolger am HAU, weiterentwickelt haben.

Die europäische Bühne

„Ihre größte Lobbyarbeit leistete sie sicherlich für den zeitgenössischen Tanz“, schreiben Sasha Waltz und Jochen Sandig in dem Band „Ins Offene“, der 2022 von der Akademie der Künste für Nele Hertling herausgegeben wurde. „Es gibt in Europa so etwas wie lebende Denkmäler der Kultur: Nele Hertling ist mit Sicherheit eines von ihnen“, sagt Boris Charmatz, der Leiter des Wuppertaler Tanztheaters. Für Barrie Kosky ist die Sache einfach: „Wir brauchen mehr Nele Hertlings“.

Wenn man heute die Internationalität der Kulturszene für selbstverständlich hält, wird leicht vergessen, dass dies auch ein Ergebnis zäher Arbeit und großer Leidenschaften ist. Hugo de Greef, ein holländischer Mitstreiter Nele Hertlings, hat sie einmal als „Troublemaker“ im besten Sinn bezeichnet. Als eine Persönlichkeit, die nie aufgibt.

„The Romeo“ von Trajal Harrell 2023 beim Tanz im August, ein Gastspiel aus Zürich.
„The Romeo“ von Trajal Harrell 2023 beim Tanz im August, ein Gastspiel aus Zürich.

© Schauspielhaus Zürich/Orphea Emirzas

So kennt man sie in Berlin. Durchsetzungsfähig, ausdauernd, mit eigenen Vorlieben auch, die sie mit der notwendigen Sturheit durchgesetzt hat. Sonst hätte sie nicht Generationen von Kulturpolitikern überzeugt und überstanden. Sie arbeitete beim DAAD, war Vizepräsidentin der Akademie der Künste und aktiv in zahllosen Gremien, im Deutsch-Französischen Kulturrat, der Bundeskulturstiftung, des Goethe Instituts. Oft wird sie „Grande Dame“ genannt. Aber das passt nicht wirklich. Sie ist doch immer und immer noch nah am Geschehen.

Meist hat sie das in Berlin Größtmögliche herausgeholt. Allein die Sache mit dem Tanzhaus wollte nicht gelingen. Seit vielen Jahren geistert die Idee durch die Stadt. Eine große Spielstätte für Tanz und Performance: Mit ihrer neuen „Performing Arts Season“ nehmen die Berliner Festspiele diesen Gedanken auf. Es ist Winter in Berlin, aber auch der „Tanz im August“ gehört zur Hertling-Familie.

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