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Auf historischem Grund. Das Jüdische Museum in Warschau (POLIN) steht auf dem Gelände des einstigen Ghettos.

© W. Kryoski / POLIN

Europäischer Museumspreis für Jüdisches Museum Warschau: Glückwunsch über die Grenze

Eine gute Nachricht für Polen: Das Warschauer Museum der Geschichte der polnischen Juden gewinnt den Europäischen Museumspreis. Das dürfte der PiS-Regierung nicht gefallen. Ein Kommentar.

Endlich eine gute Nachricht für Polen, auch wenn sie nicht aus Polen kommt: Das Museum der Geschichte der polnischen Juden in Warschau (POLIN) hat den Europäischen Museumspreis gewonnen. Alljährlich zeichnet das vom Europarat geförderte Europäische Museums-Forum herausragende neue Museen aus. Damit hat sich das POLIN nicht nur gegen knapp 50 Mitbewerber durchgesetzt, sondern nun ist in der 39-jährigen Geschichte des Preises auch erstmals Polen an der Reihe.

Die Wahl, verkündet am Wochenende im spanischen San Sebastian, ist nicht nur ästhetisch gerechtfertigt. Das Museum, ein bestechend schöner und zugleich unaufdringlicher Neubau auf dem Gelände des einstigen Warschauer Ghettos, beherbergt eine imponierende Ausstellung, die die tausendjährige Geschichte der Juden in Polen erzählt. Die Erinnerung an den Holocaust füllt darin nur einen – höchst eindrucksvollen – kleinen Teil; vor allem will man, hieß es zur Eröffnung der Dauerausstellung im Oktober 2014, den Besuchern „Freude bereiten“.

In Polen, das sich seit der Machtübernahme von Jarosław Kaczyńskis Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) rasant von demokratischen Strukturen verabschiedet, ist die Wahl für das Warschauer Museum allerdings auch unmittelbar programmatisch zu verstehen. Die Besucher seien hier, schreiben die Juroren des Europäischen Museums-Forums, mit der „dauerhaft relevanten Frage konfrontiert, wie eine auch spannungsreiche Koexistenz plötzlich einem absoluten Bruch weichen kann, bis zur weitgehenden Vernichtung einer ganzen Bevölkerung und Zerstörung einer Kultur“.

Prunkstück der Ausstellung. Ein original nachgebautes Synagogendach aus Lemberg.

©  W. Kryõski / POLIN

Das ist historisch gemeint, trifft aber auch aktuell einen Nerv in diesem Land, dessen Regierung von der Gewaltenteilung bis zur Freiheit der Medien entscheidende Errungenschaften der letzten 25 Jahre in Frage stellt. Zumal die PiS derzeit gegen eine schmerzhafte, aber notwendige Geschichtsaufarbeitung Front macht, die sich nicht zuletzt im POLIN dokumentiert. Denn dort wird nicht nur der Massenmorde durch die Deutschen, sondern auch der Pogrome durch Polen an den nach 1945 zurückkehrenden Juden und der antisemitischen Säuberungspolitik gedacht, mit der KP-Chef Gomulka in den späten sechziger Jahren 13000 Juden zwangsausbürgern ließ – damals fast die letzten, die noch im Land lebten.

Für die Machthaber von heute gilt die Erinnerung an diese Schuld der Polen als eine das nationale Selbstverständnis befleckende „Pädagogik der Schande“. In diesem Zusammenhang nannte die engagierte Filmregisseurin Agnieszka Holland dieser Tage in einem „Welt“-Interview eine jüngst mit zensierenden Texttafeln versehene Ausstrahlung von Pawel Pawlikowsis Oscar-Gewinnerfilm „Ida“ im staatlichen Sender TVP. Dort sei der Film zudem diffamierend anmoderiert worden – schließlich erzählt er von einem jüdischen Mädchen, dessen Eltern während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg von Bauern erschlagen wurden. Von polnischen Bauern.

Im Film wird das Kind Ida, das von seinen Eltern nicht weiß, in einem Nonnenkloster versteckt und dort christlich aufgezogen. Und die katholische Kirche in Polen heute? Gemeinsam mit der Regierungspartei PiS arbeitet sie massiv am Weltbild Polens als „Bollwerk des Christentums“ – und startet zudem gerade einen Kreuzzug für ein totales Abtreibungsverbot, gegen das immerhin Tausende auf die Straße gehen. Dass es noch Kräfte gibt, die sich gegen die neue Entwicklung wehren: Auch dies ist, in sich verdüsternden Zeiten, eine gute Nachricht für Polen. Und aus Polen.

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