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Von Armins „Nach-Stadt“ aus dem Jahr 1982, Öl auf Leinwand (125 x 115 cm).

© Repro: Richard Thieler, courtesy Galerie Poll, Berlin / VG Bild-Kunst, 2024, Bonn

Gemischte Gefühle: Bettina von Arnim zeigt Landschaften und Labyrinthe

Bekannt wurde die Malerin aus Berlin mit ihren Cyborgs. Die Bilder, die im ländlichen Frankreich entstehen, sind nun in der Galerie Poll ausgestellt.

1975, als Bettina von Arnim nach Frankreich aufs Land zog, war sie fertig mit Berlin. Hatte alles gesagt, vor allem aber gemalt, wie die Zukunft der Stadt aussehen könnte. Die Welt eine Wüste, der Cyborg im Schutzanzug sein einsamer Bewohner. Atmen kann er nicht mehr, die Luft ist verpestet. Sauerstoff erhält er durch dicke Schläuche.

Anschaulich wird das in Bildern wie „Optiman“ von 1969, das die Neue Nationalgalerie in ihrer aktuellen Dauerausstellung zeigt. Das Haus am Kulturforum hat die eigene Sammlung kürzlich umsortiert, zeigt neben den vertrauten Ikonen der Moderne endlich mehr Künstlerinnen und erzählt eine Kunstgeschichte der Brüche und widerstrebenden Strömungen. So rückt mit Bettina von Arnim der Fokus auf die Gruppe Aspekt, zu der auch Maina-Miriam Munsky, Wolfgang Petrick oderJoachim Schmettau gehörten.

Die Gruppe Aspekt propagierte politisches Engagement

Gegründet wurde sie Anfang der 1970er Jahre in West-Berlin, ihr Interesse galt dem Kritischen Realismus, der statt beliebiger abstrakter Gesten politisches Engagement propagierte. Hier war Bettina von Arnim richtig, und ihre isolierten Cyborgs, die gerade in überregionalen Ausstellungen wiederentdeckt werden, machten die Zukunftsängste der Künstlerin anschaulich.

Die Schau in der Galerie Poll verzichtet dennoch auf die Figurenbilder. Sie widmet sich einem anderen Sujet der 1940 in der Mark Brandenburg Geborenen, das ähnlich kritisch mit einfältigem Fortschrittsglaube verfährt. Obwohl – oder gerade weil – Bettina von Arnim seit Jahrzehnten im Grünen lebt, malt sie „Landschaften und Labyrinthe“ von bestürzender Einförmigkeit. Wie Planstädte oder Agrolandwirtschaft erstrecken sich die immergleichen Strukturen bis ans Ende des Horizonts. Faszinierend, gemometrisch präzise und nahezu menschenlos.

Wer einmal ins Labyrinth gerät, findet nie mehr hinaus

Von Arnim, die eigens zur Eröffnung ihrer Ausstellung anreiste, weist auf den Ursprung der Labyrinthe hin. Es sind Grundrisse von Städten oder Stätten der Azteken, die man für ihre Baukultur bewundern kann. Doch die steinerne Ödnis auf den Leinwänden der Künstlerin, die schematische Wiederholung zeichenhafter Segmente aus der Vogelperspektive lässt die Cluster zur Bedrohung werden. Wer einmal in dieses Massiv gerät – und tatsächlich deuten winzige Figuren oder Heißluftballons am blauen Himmel die Dimensionen jener Irrgärten an –, der findet nie wieder hinaus.

Im Spiegelkasten, der zentral im Galerieraum steht und umrundet werden kann, setzen sich die verschachtelten Formen sogar bis ins Unendliche fort. „Wir erblicken die Utopie einer als Zeichensystem erstarrten Welt“, notierte der Autor und Philosoph Rüdiger Safranski 1985 im Katalog zu von Arnims Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein. Dabei muss man gar so weit schauen: Es genügt ein Blick in die historische Landschaftsarchitektur vor allem französischer Gärten und Parks, in denen die Fauna dem gestalterischen Willen ihrer Planer untergeordnet wurde. Natur zum Modellieren, ohne Respekt vor jedem Eigenleben.

Feinste Nuancen, intensive Farben

Mit Bettina von Arnim, die während ihres Studiums an der Berliner Akademie ein Stipendium für das Maison de France in Paris bekam und sich in der Werkstatt von Johnny Friedlaender diverse Radiertechniken aneignete, zog auch ihre monumentale Druckpresse nach Frankreich. Die exquisiten Farbradierungen der Ausstellung machen deutlich, wie versiert die über 80-jährige Künstlerin in diesem Metier ist. Feinste Nuancen, intensive Farben und gestochen scharfe Labyrinthe rufen zwiespältige Gefühle auf. Furcht und Faszination sind miteinander verwoben – und die Botschaft von Arnims so unmissverständlich wie vor 50 Jahren.

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