zum Hauptinhalt
Der Schriftsteller T.C. Boyle, der am 2.12. 70 Jahre alt geworden ist.

© Niklaus Stauss/epd

US-Schriftsteller: Für immer Punk -T.C. Boyle wird 70

Mit dem Faible für Außenseiter, Wunderliche und Geächtete: Dem amerikanischen Schriftsteller T. C. Boyle zum 70. Geburtstag.

T. C. Boyle ist wieder zurück. Selbstredend mit einem neuen Roman, der den Titel „Das Licht“ trägt und Ende Januar erscheint – zuerst in Deutschland, weil Boyle hier seine größte Fangemeinde weltweit hat, und erst ein paar Wochen später in seiner Heimat, den USA. Aber auch sonst gibt es Neues aus dem Alltag des Schriftstellers. Den Herbst hat Boyle in der kalifornischen Sierra Nevada verbracht, um sich hier wegen eines Films über ihn von einem Kamerateam begleiten zu lassen, und natürlich auch, um zu entspannen und zu schreiben. Eigentlich wollte er länger bleiben, bis in den frühen Januar hinein. Doch seine Hündin wurde schwanger, und so beschlossen er und seine Frau, die Geburt der Welpen lieber im warm-heimischen Santa Barbara abzuwarten und vorzeitig zurückzukehren. Gelegenheit für ihn, zu lesen, ein paar neue Erzählungen und die Auszüge für „Das Licht“ durchzusehen und sich gleich wieder Notizen für einen neuen Roman zu machen.

"Das Licht" handelt von Timothy Leary und den Seinen

Nein, T. C. Boyle ist kein Schriftsteller, der im Verborgenen arbeitet und nur zur Not, wenn ein neues Buch ansteht, die Öffentlichkeit sucht. Auf seiner Website plaudert er freimütig aus seinem Leben und seinem Alltag und wie weit seine neuesten Projekte gediehen sind. Jedes seiner neuen Bücher betourt er ausgiebig, Interviews gibt er gern, auf Twitter schreibt er ununterbrochen, postet täglich in der Früh ein Foto von seiner Straße. Gern ignoriert er die Gesetze des Buchmarkts, überfordert womöglich auch seine Verlage mit allzu schnellen Veröffentlichungsrhythmen. So hat er seit seinem 1982 veröffentlichten Debütroman „Wassermusik“ über zwei Expeditionen in das Innere des afrikanischen Kontinents ein Werk geschaffen, das aus 17 Romanen und weit über 100 Kurzgeschichten besteht, die er im „New Yorker“, „Esquire“, „McSweeney’s und anderen Zeitschriften veröffentlicht.

Gern wird Boyle als Punk unter den US-Schriftstellern bezeichnet, wegen seiner Offenheit und natürlich seines Aussehens, oft auch als „Kultautor“. Tatsächlich befasst er sich in seinen Romanen bevorzugt mit den Mythen der amerikanischen Populärkultur, insbesondere deren Protagonisten wie im Hippie-Roman „Drop City“ oder in seinen romanhaften Biografien des Cornflakes-Erfinders John Harvey Kellog, „Willkommen in Wellville“, und des Sexforschers Alfred Charles Kinsey, „Dr. Sex“. In diese Reihe passt nun auch „Das Licht“. Im Zentrum steht die Gemeinde um den Psychologen und LSD-Liebhaber Timothy Leary und dessen Versuche einer Revolution des Bewusstseins, einer Form des Lebens, das von allen sozialen Zwängen befreit wird. Boyle lässt all dies von einem fiktiven wissenschaftlichen Assistenten von Timothy Leary erzählen.

Gelernt hat Boyle bei John Irving und Raymond Carver

Wie es sich für einen alten, wackeren Punkrocker gehört, für jemanden, der in seinen späten Jugend in den sechziger und frühen siebziger Jahren selbst einige Drogen probiert hat, hat Boyle ein Faible für die Außenseiter und Wunderlichen, die Ausgestoßenen und Geächteten dieser Welt. Für mexikanische Einwanderer, über die er einen Roman geschrieben hat, für kalifornische Marihuana-Züchter, die in „Grün ist die Hoffnung“ gegen die Obrigkeit kämpfen, für den weißen Trash und die modernen Wutbürger, denen er mit einem seiner besten Romane der jüngeren Zeit, „Hart auf Hart“, einfühlsam nachspürt.

T. C. Boyle geht es in vielen seiner Romane um das Auskommen von Mensch und Natur, um das gut gemeint Anti-Zivilisatorische und die Irrwege, die bestimmte Gurus beschreiten, er ist oft gleichermaßen Konsum- wie Medienkritiker. Dass Präsidenten wie George W. Bush und erst recht Donald Trump für ihn Symbole für den baldigen Untergang mindestens der USA sind, versteht sich fast von selbst. „Bush war der schlechteste Präsident aller Zeiten“, hat er einmal in einem Interview gesagt, „ein Weltzerstörer.“ Trump ist für ihn „ein böser Wahnsinniger“, ein Monster-Clown, wie ihn ein Stephen King nicht besser sich hätte ausdenken können, „der bald schon wieder hinter den Kulissen einer Doku-Reality-Soap verschwinden wird.“ T.C. Boyle gehört zu den profiliertesten, vielseitigsten und beliebtesten US-Autoren selbst in seiner Heimat. Trotzdem wird er nie in einem Atemzug mit Kollegen wie DeLillo, Pynchon, McCarthy oder dem kürzlich verstorbenen Philip Roth genannt. Was womöglich daran liegt, dass seine Visionen, seine Apokalypsen nie etwas Rätselhaftes haben. Bei ihm liegt alles offen zutage. Überdies erzählt er sehr zugänglich und schert sich um keine erzählerische Ökonomie, zumindest in seinen manchmal etwas ausufernden Romanen. Nicht umsonst war John Irving an der Schreibschule in Iowa City einer seiner Mentoren, genau wie Raymond Carver, der ihm beibrachte, fabelhafte, im Gegensatz zu seinen Romanen gut auf den Punkt gebrachte Kurzgeschichten zu schreiben.

Seinen 70. Geburtstag, den T.C. Boyle an diesem Sonntag feiert, dürfte er dort verbringen, wo alles für ihn begann mit dem Schreiben: in Iowa City. Das hat er, klar, auf seiner Website verraten. Er ist hier wegen einer Lesung und in Vorbereitung auf seine nächste Lesetour in der ersten Dezemberwoche. Das übrigens in einem ganz unfeierlichen Outfit, wie es sich für einen Punkrocker gehört und wie er das natürlich auch verrät: „rote Converse, schwarze Jeans, Kapuzenpulli und Lederjacke“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false