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Lichte Schönheit, durchsonnte Freiheit. Chipperfields baden-württembergisches Museum besticht durch klare Formen.

© Simon Menges

Frappierend schön: David Chipperfield hat ein neues Museum gebaut

Zwei Wangenmauern, ein steinerner Hof und ein gläserner Überbau: In Künzelsau ist ein Museum für die exquisite Sammlung Würth eröffnet worden.

Es ist eine der typisch süddeutschen Tüftler-Erfolgsgeschichten im hohenlohischen Künzelsau-Gaisbach. Dort wächst seit 1969 die Firmenzentrale des weltweit agierenden Schraubenherstellers Würth Group. Parallel dazu wächst das Engagement des Unternehmers Reinhold Würth für die Künste.

Vor mehr als einem halben Jahrhundert begann er, Kunst zu erwerben und hat heute eine Sammlung von 18 300 Gemälden, Grafiken und Plastiken. Fünf Museen hat er dafür bauen lassen. Hinzu kommen neun Firmenstandorte im In- und Ausland, wo er seine Kollektion in Schauräumen der Öffentlichkeit präsentiert, sieben Tage die Woche bei kostenlosem Eintritt.

Eine Akropolis auf der Anhöhe

Nun ist das jüngste und architektonisch ambitionierteste, das Museum Würth 2 (das zweite in Gaisbach), als Teil des Carmen-Würth-Forums eröffnet worden. David Chipperfield hatte nach einem Wettbewerb den Auftrag für das Forum erhalten, dessen Kongress- und Veranstaltungszentrum seit 2017 in Betrieb ist. Seitdem finden dort Fachtagungen, Kulturereignisse, insbesondere Konzerte der Würth Philharmoniker statt.

Ähnlich wie Chipperfields Literaturarchiv in Marbach thront das Würth-Forum wie eine Akropolis auf der Anhöhe. Mit dem Bau der Glas-Stahl-Moderne in der Nachfolge Mies van der Rohes haben Chipperfield und sein Partner Alexander Schwarz die rationalistische Perfektion auf die Spitze getrieben.

Zwei Wangenmauern bilden mit dem kubischen Saalbau einen offenen, steinernen Hof wie eine klassische Agora als Vorplatz und erweitertes Foyer. Über die rechte Mauer lugt der gläserne Überbau der neuen Kunsthalle. Schon im Vorfeld wird der Besucher von prominenten Großplastiken empfangen. Werke von Tony Cragg, Marc Quinn, Edoardo Chillida, Georg Baselitz begleiten den Weg zum Eingang.

Überzeugen, nicht auftrumpfen

Die architektonische Konzeption könnte klarer, die Detaillierung präziser nicht sein. Das Foyer mit Verbindung zum Konferenzbereich, Kunstshop und Café nimmt das Erdgeschoss ein. Der große, 5,5 Meter hohe Ausstellungssaal liegt im Ober-, ein kleines, intimes Kabinett im Untergeschoss. Chipperfields Architektur trumpft nicht auf, die Aufmerksamkeit gilt der Kunst.

Der Saal lässt sich durch temporäre Wände gliedern und wird durch Tageslicht mit Kunstlichtbeimischung versorgt. Sichtbetonwände, ein schöner Terrazzo mit hohenlohischem Muschelkalk als Zuschlag und die in ruhigen Quadraten gegliederte Glasdecke sorgen für ein dezentes Ambiente, in dem die Kunst ihre Wirkung entfalten kann.

„Belvedere“ nennen die Architekten einen verglasten schmalen Umlauf an der Stirnseite, von dem aus nach der Hälfte des Rundgangs der Blick auf die Großplastiken draußen und hinüber zu den Waldenburger Bergen schweifen kann. Eine schmale Treppe führt hinab ins Kabinett. Der Raum erfährt durch grau gestrichene Wände und dunkle Betonunterzüge seine ganz eigene Prägung. Bei gedämpftem Licht können empfindliche Arbeiten auf Papier gezeigt werden.

Dialog der Großkünstler

Chipperfields Baukunst beeindruckt durch ihre Distinguiertheit und bietet das angemessene Ambiente zu den großartigen Kunstwerken. Mit der Sammlung Würth lassen sich mühelos thematische Korrespondenzen verschiedener Künstler illustrieren. Hier kommen Miró und Léger, Baselitz und Picasso, Lichtenstein und Beckmann, Hockney und Itten miteinander ins Gespräch zu Themen wie „4 Jahreszeiten“, „Nude on the Beach“, „Seefahrt“.

Die Eröffnungsausstellung „Weitblick – Reinhold Würth und seine Kunst“ zeigt die frappierende Qualität und Bandbreite der Sammlung, eine des Schaffens im 20. und 21. Jahrhundert. Sie ist eine Momentaufnahme, denn Würth arrangiert seine Ausstellungen immer wieder um, verfolgt ständig neue Themen, betreibt eine Art Feldforschung in den eigenen Magazinen. Der Sammler kann aus dem Vollen schöpfen, besitzt er doch beeindruckende Konvolute so unterschiedlicher Künstler wie Alfred Hrdlicka mit 322 Arbeiten oder von Max Ernst das komplette graphische Werk.

Bei aller enzyklopädischer Breite der Kollektion lässt sich doch als Gemeinsames erkennen, dass bei Würth der Schauwert eine Rolle spielen muss. Das Ästhetische, Ausdrucksstarke, Erzählerische ist omnipräsent. Über keines der Exponate gleitet das Auge unachtsam hinweg, jedes weckt Aufmerksamkeit und Interesse. Die Dichte des Kunsterlebnisses ist beeindruckend und wird durch die Architektur noch gesteigert. Auch dies ist ein Grund, weshalb das nahe der Autobahn Nürnberg-Heilbronn verkehrsmäßig günstig gelegene Museum Würth 2 einen Abstecher wert ist.

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