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Birgit Klebers Porträt einer Schaufensterpuppe (Talking Heads, 2013)

© Birgit Kleber

Fotoporträts von Birgit Kleber: Zwischenblick der Kamera

Konzentration auf das Gesicht: In der Schau „Ordnung und Obsession“ zeigt die Kommunale Galerie Berlin Birgit Klebers Fotoporträts.

Der Schauspieler Hinnerk Schönemann ist verblüfft über die Pose, die die Fotografin da von ihm verlangt. Zumal auf Charlottenburger Hinterhöfen in der Regel keine Stühle stehen. Den hat Birgit Kleber extra aus dem Restaurant im Vorderhaus hergeschleppt. Dann bekommt Schönemann, dem an diesem Vormittag vor zehn Jahren wegen seiner Omnipräsenz in Film und Fernsehen die Zukunft zu gehören scheint, die strikte Regieanweisung zu hören, die fast alle von ihr Porträtierten – ob prominent oder nicht – in der Methode Kleber vereint:

„Bitte breitbeinig auf den Stuhl setzen, mit dem Steißbein und der Wirbelsäule ganz nach hinten an die Lehne rücken. Dann nach vorne beugen, die Ellenbogen fest auf die Knie stützen. Und schließlich mit durchgedrücktem Rücken den Kopf und das Kinn heben und nach vorne schauen.“

Dann justiert die Fotografin noch ein wenig ihre Abwandlung der in der Physiotherapie „Kutschersitz“ genannten Haltung, kniet sich vor den Schauspieler und fotografiert. Ihr Kopf mit dem davorgehaltenen Objektiv und sein Kopf – das nennt man Augenhöhe. Zack, zack, zack, in Nullkommanichts hat sie ein SchwarzWeiß-Porträt eingefangen. Es gerät prägnant, trotz der jugendlich glatten Züge. Und ist, wie meist bei Kleber, ganz auf das Gesicht beschränkt. Das ist der Sinn der Sitzhaltung, die den Kopf anatomisch von dem in der Unschärfe versinkenden Körper trennt.

Kleber fotografiert seit Jahren ihre Kollegen

In die Ausstellung „Ordnung und Obsession“ in der Kommunalen Galerie Berlin hat es aber keiner der zahllosen Schauspieler geschafft, die Birgit Kleber seit den achtziger Jahren für den Tagesspiegel und viele andere Zeitungen oder auch für das Deutsche Filmmuseum Frankfurt, wo ab 8. Januar kommenden Jahres ebenfalls eine Schau mit ihren Porträts läuft, fotografiert hat. Dafür ist in Wilmersdorf das überlebensgroße Gesicht der 1922 geborenen Eva Ebner zu sehen, die in Berlin als Nebendarstellerin und vor allem als Regieassistentin an sagenhaften 250 deutschen Filmen mitgearbeitet hat. Birgit Kleber porträtierte die eindrucksvolle Greisin 1997 mit geschorenem Kopf. In der grobkörnigen, ein Meter mal ein Meter messenden Vergrößerung scheint ein Totenschädel hinter der wie poröses Gestein wirkenden Gesichtshaut hindurchzuscheinen.

Birgit Klebers Porträt von Eva Ebner (Eva, 1997).
Birgit Klebers Porträt von Eva Ebner (Eva, 1997).

© Birgit Kleber

Die wunderschöne Farbfotoserie „Talking Heads“ von 2013, die durch eine Schaufensterscheibe fotografierte Köpfe alter Schaufensterpuppen zeigt, lebt dagegen nicht von der Melancholie vergänglichen Fleisches, sondern von der brüchiger Künstlichkeit. Idealisierte Frauenköpfe sucht man bei Kleber sonst vergeblich. Die irritierenden Serien „Un-Eins“ und „Untitled“ zeigen asymmetrische und blinzelnde Gesichter. Beim Fotografieren einer Schauspielerin sei ihr deren unablässiges Wimpernklimpern aufgefallen, erzählt Birgit Kleber. Die Wirkung der nicht wirklich geschlossenen, aber auch nicht wirklich geöffneten Augen frappierte sie. „Das ist ja ein Zwischenblick, den nur die Kamera sieht.“

Ein vorher niemals künstlerisch genutzer, sondern eher aussortierter Effekt, von dem die Mitglieder der Serie „Photographer“ beim Betrachten ihrer eigenen Abzüge sicher ein Lied singen können. Seit fast zwei Jahrzehnten fotografiert Birgit Kleber nun schon ihre, wenn es um das eigene Antlitz geht, häufig fotoscheuen Kollegen. Die Ausstellungswand mit den Gesichtern von Nan Goldin, Cindy Sherman, Robert Lebeck, James Nachtwey, Peter Lindbergh, Sibylle Bergemann, Gisèle Freund und anderen bekannten Vertreterinnen der Zunft belegt: Fotografieren ist ein Geschäft, das Gesichter schafft – mal weniger, meist mehr verwitterte.

Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, Wilmersdorf, bis 14. November, Di–Fr 10–17, Mi 10–19 Uhr, So 11–17

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