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© Imago/Jochen Tack

Folge 174 „Wochniks Wochenende“: Datenleck in der Klangkunst

Wäre es irgendwo anders geschehen, wären die Folgen wohl juristischer Natur gewesen. Hier werden sie Musik.

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

Wie klein doch die Klangkunstwelt ist. Klar, es gibt Gesichter und Namen, die kommen und gehen, solche, die von Anfang an nur Durchreisende waren, andere, die von Anfang an Großes vorhatten. Es gibt aber auch einen Kern, der immer da ist. Man sieht ihn bei Ausstellungseröffnungen, Konzerten, seit Jahren, teils seit Jahrzehnten. Manche sind so überpräsent, dass man den Verdacht hegt, dass etwas nicht stimmt, wenn sie mal nicht da sind. Wo sich viele von ihnen ebenfalls begegnen, meistens, ohne es zu merken, ist in Bewerbungen. Wird irgendwo ein Preis, ein Stipendium oder gar eine Professur ausgeschrieben, sind sie alle da. Oder nicht?

Kürzlich war tatsächlich wieder eine Professur für Klangkunst oder Sound Art oder Sonic Art ausgeschrieben – an welcher Hochschule genau, in welchem Studiengang genau und wie das Fach genau hieß, ist nur den Betroffenen bekannt. Die Sache ist: Auch diesmal sind sich, wie schon bei anderen Ausschreibungen zuvor, ihre Bewerbungen begegnet, vermutlich auf einem Stapel auf irgendeinem Schreibtisch jener Hochschule.

Oder, falls papierlos, auf einer Festplatte. Und auch diesmal wäre diese Begegnung unbemerkt geblieben, hätte die Hochschulverwaltung allen Abgelehnten je eine Mail geschrieben. Stattdessen verschickte dort jemand nur eine einzige Mail – und setzte die E-Mail-Adressen aller Empfänger:innen für alle anderen sichtbar in den Kopf der Mail.

Man mag sich gar nicht ausmalen, was so ein Datenleck in manch anderem Kontext an juristischen, ökonomischen, beruflichen Folgen gehabt hätte. Zum Glück für die Hochschule und den Rest der Welt erreichte sie aber Künstler:innen. Und, vielleicht weil die Künste schon lange mit dem Glitch, also dem Fehler zu arbeiten wissen, hatte einer der Empfänger, Kristof Georgen, eine Idee:

Wieso verarbeiten wir dien Fauxpas nicht kollektiv zu Musik? 32 der Angeschriebenen sprangen auf die Idee an. Diesen Sonntag, am 15. Oktober, um 18 Uhr präsentieren sie nun eine Schallplatte bei Errant Sound (Rungestraße 20), auf der sie den Vorgang in seiner kulturellen, juristische, ästhetischen und noch manch anderer Dimension in je 60 Sekunden reflektieren.

Unter ihnen etwa Budhaditya Chattopadhyay, den kennt, wer sich für Field Recording interessiert, Jasmine Guffond, die die Vertonung digitaler Daten längst als eines der Prinzipien ihrer semi-dokumentarischen Kunst führt, Komponist und Künstler Jan Peter E. R. Sonntag, Philpp Sollmann (in der Clubwelt bekannt als Efdemin), Kerstin Ergenzinger, Stefan Roigk – es wäre nur fair, hier nun alle 32 Namen aufzuzählen, da sie, sowohl vor der Hochschule, als auch auf der Platte gleichbehandelt nebeneinanderstehen. Leider ist die Welt nicht immer fair. Schauen Sie doch also einfach auf die Homepage des Projekts. Oder gehen am Sonntag selbst hin.

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