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Umwandler, eine Klanginstallation von Nika Schmitt im großen Wasserspeicher Prenzlauer Berg.jpg

© singuhr projekte/Simon Vogel

Folge 168 „Wochniks Wochenende“: Selbstbezug, Fremdbezug, Weltbezug

Natürlich geht es in den Künsten um Subjektives, meint unser Autor. Eben deshalb geht es dabei immer um alles. Empfehlung: Nika Schmitts Klanginstallation im Großen Wasserspeicher Prenzlauer Berg

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

In der Kunst geht es immer nur um Egos, sagen manche. Das natürlichste Verhalten der Künstlerpersönlichkeit sei es, sich selbst in ihrer Einzigartigkeit zu vervielfältigen, erklärte ein Kunstprofessor vor versammelter Klasse. Wieso aber identifizieren sich dann so viele Menschen mit Künstler:innen, ihren Songtexten, Erzählungen, persönlichen Geschichten, wandte eine Studentin ein.

Fragen wir Immanuel Kant: Wer „das ist schön“ sagt, so der Philosoph in seiner Kritik der Urteilskraft, meint nicht „ich finde das schön, wie findest du es“. „Das ist schön“ ist vielmehr, vereinfacht gesagt, so etwas wie eine an die ganze Welt gerichtete Aufforderung zur (oder bescheidene Hoffnung auf) Zustimmung. Wäre es anders, würde niemand über ästhetische Fragen streiten können. Moderne Philosoph:innen haben übrigens angemerkt, dass der Satz mittlerweile „das ist Kunst“ lauten müsste.

Dreht sich um sich selbst – und versetzt alles in Schwingung

Aktuell ist im großen Wasserspeicher Prenzlauer Berg (Belforter Straße) eine Klanginstallation der Künstlerin Nika Schmitt, ermöglicht durch den Verein singuhr – projekte, zu erleben: Ein System, dass seine Erhaltungsenergie aus sich selbst gewinnt und sich im wahrsten Sinne des Wortes um sich selbst dreht. Und das allen, die offenen Sinnes hinhören, von Nähe und Distanz (seiner Klänge und Signalleitungen), Anstrengung und Erschöpfung (seiner Energiereserven), vom Vergehen der Zeit (zwischen seinen tönenden Pulsen) und der Subjektivität der eigenen Perspektive erzählt.

Das Herz der Installation dreht sich um sich selbst – und setzt riesige Luftmassen in Bewegung
Das Herz der Installation dreht sich um sich selbst – und setzt riesige Luftmassen in Bewegung

© Simon_Vogel / singuhr projekte/Simon Vogel

Letztere hängt entscheidend vom Standort im Raum ab: Alle paar Schritte ergeben sich nicht nur Lautstärkeunterschiede, sondern, wegen des sich ändernden Abstands zu Schmitts Lautsprecherobjekten, auch Verschiebungen der rhythmischen Muster. Sehen Sie jemanden zehn Meter weiter stehen, können Sie davon ausgehen, dass der gerade etwas anderes hört als Sie.

Nicht zuletzt macht der Umwandler die Wirkung deutlich, die noch die kleinsten und scheinbar völlig selbstbezogenen Bewegungen auf die Umwelt haben können, wenn sie in einem so resonanzfreudigen Raum wie dem Wasserspeicher auftreten. Ganz schön allgemeine Ansichten für eine dermaßen selbstbezogene Sache. Im Allgemeinen bleibt es dann aber doch nicht. Sie möge es, wenn Kunst „whimsical“ sei, sagt Schmitt, ein wenig schrullig vielleicht, eigen. Und nicht nur die Darstellung eines physikalischen Vorgangs.

Darum hält sie sich auch nicht starr an das selbst auferlegte Korsett eines Feedback-Systems, sondern lässt dessen Stromkreis am Ende offen: Statt überschüssige Elektronen am Ende der viele hunderte Meter langen Lautsprecherkabel wieder ins System zurückzuführen, lässt sie sie in einer kleinen, leise blinkenden Inkonsequenz auslaufen – wer den Kabeln bis zum Ende folgt, findet sie. Keine bloße Zurschaustellung von Physik also. Sondern, eben, Kunst.

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