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Robert Morris vor einer seiner Arbeiten.

© Ulrike Heitefuß/picture-alliance / dpa

Zum Tod von Robert Morris: Filz im Fluss

Perfekter Vollender: Ein Nachruf auf den amerikanischen Künstler und Minimal-Art-Pionier Robert Morris.

Im Werk eines jeden Avantgardekünstlers gibt es diesen zündenden Moment – eine Erkenntnis, die aus dem tastenden Nachahmer einen Pionier macht. Bei Robert Morris, der am Mittwoch im Alter von 87 Jahren in Kingston, New York, an einer Lungenentzündung starb, war es angeblich eine Fotografie. Sie zeigt den Maler Jackson Pollock bei der tänzerischen Arbeit an einem seiner drippings, und für Morris galt ab diesem Moment: Nicht die statische Arbeit ist am Ende die Kunst. Der Prozess ihrer Entstehung, der Weg dorthin und damit auch jede Aktion vor der Leinwand oder der Skulptur gehören unbedingt dazu.

Von da an widmete sich Morris der Performance, realisierte ab den sechziger Jahren Land-Art-Projekte wie das monumentale „Observatorium“ in der niederländischen Provinz Flevoland, das die dortige Sonnenwende visuell in Szene setzt. Der Künstler komponierte bis 1970 Tanzstücke und partizipierte an Film- und Theaterprojekten. 1963 schuf er ein „Portrait“ von sich, indem er seine Körperflüssigkeiten in diverse Flaschen füllte. Vier Jahre später realisierte er mit „Steam Cloud“ eine Arbeit der ephemeren Art mit unterirdisch verlegten Rohren, aus denen im Ausstellungsraum Wasserdampf austrat.

Morris ging es darum, das Vokabular der Moderne aufzulösen

Es ist nicht ganz einfach, hinter solchen vergänglichen Inszenierungen jenen Vertreter der Minimal Art zu erkennen, den Morris seit dieser Zeit verkörperte. Bei Minimal Art kommen einem die Metallboxen des amerikanischen Bildhauers Donald Judd in den Sinn, die die Museen bevölkern, und die für die Ewigkeit gemacht scheinen. Und doch artikuliert sich in Morris’ totaler Reduktion von Materialien und Formen ein ähnliches Prinzip, weil auch seine Kunst nach Klarheit, Logik und Objektivität strebt. Bloß dass Morris zusätzlich den Aspekt der Veränderlichkeit in sein Werk aufnahm – und damit Judd um eine Komponente übertrumpfte.

Morris war auch umstritten - Scheu vor den Ideen von anderen Künstlern kannte er nicht

Zu den prägendsten Rauminstallationen, die alle Aspekte seiner experimentellen Arbeitsweise enthalten, zählt „Untitled“ aus den Jahren 1967/68. 254 dunkelgraue Filzteile lagen hier auf dem Boden oder hingen schlaff von Befestigungspunkten an der Wand herab. Es sind Morris’ skulpturale Variablen bezüglich Ort, Zeit und Arrangement. Auf den ersten Blick mutet das simpel an. Doch wer vor die Installationen des Künstlers tritt, der hierzulande 2009 in einer Retrospektive im Museum Mönchengladbach vertreten war, erkennt auch den Anspruch seiner Kunst. Morris ging es darum, das Vokabular der Moderne aufzulösen, um etwas anderes zu schaffen, es zu reduzieren und gleichzeitig komplexer zu machen. Dabei schreckte Morris auch nicht davor zurück, Ideen von Kollegen in das eigene Werk zu transferieren. Eine Eigenart, die ihn in den Augen seines einstigen Kölner Galeristen Rolf Ricke zum „perfekteren Vollender anderer Künstler“ werden ließ. Die ihn aber auch umstritten gemacht hat.

In Mönchengladbach waren weitere maßgebliche Werke wie die Skulptur „Two Columns“ von 1961 zu sehen, dazu ließ das Museum mit „Steam“ auf einer Grünfläche noch einmal eine Dampfarbeit des Künstlers auferstehen – diesmal in der Natur, in der Morris zahlreiche seiner Arbeiten platziert hat.

Der Künstler studierte bis 1950 am Kansas City Art Institute, wechselte dann an die California School of Fine Arts in San Francisco und besuchte anschließend das Reed College in Portland. 1961 zog er nach New York und machte hier zwei Jahre später seinen Master of Arts in Kunstgeschichte am Hunter College. Morris’ immenses Wissen schlug sich in zahlreichen Aufsätzen und Statements nieder.

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